«Wenn ich meinen Landsleuten die Schweiz erkläre, lerne ich sie auch selbst besser kennen»

Alina Mosendz-Manser, Kommunikation Staatskanzlei

«Wenn ich meinen Landsleuten die Schweiz erkläre, lerne ich sie auch selbst besser kennen»

Alina Mosendz-Manser, Kommunikation Staatskanzlei
Neues Leben, neues Land, neue Sprache – und ein neuer Job in der Kommunikationsabteilung des Kantons St.Gallen. Alina Mosendz-Manser erzählt ihre bewegende Geschichte

Jede Woche schreibe ich einen Newsletter für ukraini­sche Flüchtlinge und helfe ihnen so, die Schweiz besser zu verstehen: Wie läuft es hier? Wie können sie sich zurechtfinden und sich integrieren? Der Krieg in der Ukraine bricht mir zwar das Herz – jeder getötete Mensch, jedes zerstörte Gebäude –, doch wir müssen die Kraft finden, weiterzuleben.

Im letzten Herbst wurde die Schweiz mein neues Zuhause. Ich kam mit einem Koffer und einem Hoch­zeitskleid aus der Ukraine. Die Liebe führte mich hierher: Mein Schweizer Freund hatte mir einen Heirats­antrag gemacht, wir planten unsere Hochzeit für den Winter. Der Umzug in ein anderes Land bereitete mir allerdings Sorgen. Ich hatte über 15 Jahre Erfahrung als Journalistin, wusste aber nicht, ob ich hier Fuss fassen konnte, und hatte Angst davor, noch einmal neu anzufangen. Durch die Arbeit lernte ich übrigens auch meinen Mann kennen. Das war 2015. Er war damals Schweizergardist, ich berichtete als Auslandreporterin über den Besuch des ukrainischen Präsidenten im Vatikan. Im Januar 2022 heirateten wir in einem wunderhübschen Schloss im Rheintal.

Nachdem ich in die Schweiz gezogen war, arbeitete ich von hier aus weiter für ukrainische Medien und Projekte. Die letzten sieben Jahre machte ich bei «Stop Fake» mit. In dieser Zeit hat die Plattform unzählige Falschinfor­mationen russischer Staatsmedien aufgedeckt. In den letzten zwölf Monaten nahm die Desinformation sogar noch zu. Die russische Grossinvasion vom 24. Februar überraschte mich deshalb nicht. Warnungen des US-und des britischen Geheimdienstes sowie Nachrichten über Truppenzusammenzüge an den Grenzen verstärk­ten unsere Furcht vor einem kurz bevorstehenden Krieg. Für die Ukraine begann der Krieg 2014 mit der Annexion der Krim und mit Kämpfen in der Ostukraine. Es war klar: Früher oder später würden die Besatzer weitere Gebiete angreifen

Mein Verstand wusste das alles, trotzdem traf mich der Krieg emotional. Am 25. Februar feierte ich nicht meinen Geburtstag, sondern versuchte meine Mutter davon zu überzeugen, die Ukraine zu verlassen und auch hierher­zukommen. Nach einer einwöchigen Reise erreichte sie als Flüchtling die Schweiz. Mit über 60 war es für sie nicht einfach, ihr Zuhause zu verlassen, die Stelle im Spital zu verlieren und auf einmal in einem anderen Land zu leben. Sie kam zusammen mit ihrem Mann. Erst hier erfuhren sie, dass sein Ferienhaus in der Ukraine zerstört war. Nach all diesen schmerzlichen Erfahrungen war es für uns eine positive Überraschung, wie schnell und effektiv die Schweiz alle ukrainischen Flüchtlinge aufnahm und wie sich uns hier die Türen und die Herzen der Menschen öffneten.

Über Bekannte kontaktierte mich im Frühling der Leiter der Kommunikationsabteilung des Kantons St.Gallen. Er schlug mir vor, einen Newsletter für ukrainische Kriegsflüchtlinge zu schreiben und ihnen so bei der Integration zu helfen. Die Idee gefiel mir sehr. Selbst lebte ich erst seit einem halben Jahr hier; auch für mich war vieles noch neu. Im Sommer versendeten wir die ersten Ausgaben per E-Mail, seither erhielten wir viele positive Rückmeldungen. Ich lerne die Schweiz mit jedem Newsletter besser kennen, und meine Landsleute finden sich so hoffentlich auch besser zurecht. Wir berichten über wichtige Dinge: Gesundheitswesen, ÖV, Jobsuche, das Bildungssystem. Auch hatten alle Freude daran, schweizerdeutsche Redewendungen zu lernen.

Zuvor war ich nicht in der Kommunikation tätig, trotzdem ist diese Erfahrung für mich wertvoll. Erstens hilft der Newsletter meinen Landsleuten in dieser schwierigen Zeit, zweitens kann ich so meine Deutsch­kenntnisse anwenden und meine berufliche Laufbahn fortsetzen. Nicht zuletzt gibt es mir Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und mich zu integrieren. Die Kommunikationsabteilung hat mich warmherzig aufgenommen und mich bei meinem Neuanfang unterstützt. Die neuen Kolleginnen und Kollegen sind mir in den letzten Monaten alle ans Herz gewachsen.