Hier geht’s lang!

Olivia Meier, Kommunikation Staatskanzlei

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Olivia Meier, Kommunikation Staatskanzlei
Unauffällig, aber doch präsent. Ästhetisch ansprechend, aber doch lesbar. Signaletik im öffentlichen Raum hat es nicht leicht. Sie soll nicht nur Ortsfremde mühelos ans Ziel führen, sondern auch den Bedürfnissen zahlreicher Anspruchsgruppen entsprechen. Beim Stiftsbezirk St.Gallen ist dies gelungen.

Haben Sie schon mal den Abfalleimer in einer fremden Küche vergeblich gesucht? Oder den Billettautomaten am Bahnhof nicht ausfindig machen können? Ich behaupte ganz kühn: eher unwahrscheinlich. In typisierten Umgebungen finden wir uns in der Regel problemlos zurecht. Schwierig wirds erst, wenn Orte so unübersichtlich oder komplex werden, dass unser räumliches Erfahrungswissen zur Orientierung nicht mehr ausreicht.

Hier kommt die Signaletik ins Spiel. Mittels Schrift, Bildern, Sprache, Formen, Farben oder Zeichen soll sie Menschen dabei unterstützen, sich zurechtzufinden. Die Signaletik im Stiftsbezirk St.Gallen übernimmt diese Aufgabe für rund 150 000 Personen pro Jahr. Der Stiftsbezirk vereint ganz unterschiedliche Nutzerinnen und Nutzer an einem Ort: Kanton und Stadt St.Gallen, die kantonale und regionale Kirche, zahlreiche Unter­mieterinnen und Untermieter und vor allem eine grosse Zahl an Touristinnen und Touristen. Alle mit ihren Ansprüchen, Bedürfnissen, Vorstellungen – und manche gar mit eigenen Schriften und Logos. Kein Wunder, dauerte es mehrere Jahre und zahlreiche Sitzungen, um ein neues Orientierungssystem zu entwickeln.

Bei Arbeiten im Weltkulturerbe ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Ludwig Gächter arbeitete als Architekt beim kantonalen Hochbauamt in der Projektentwicklung und war zusammen mit der Agentur TGG und dem «studio DAS» für das Projekt zuständig. Die vielen involvierten Parteien waren nur eine der zahlreichen Herausforde­rungen beim Projekt: «Weil der Stiftsbezirk zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, gab es ganze Bücher mit Vorgaben, was erlaubt ist und was nicht.» Hinzu kamen Vorschriften der Denkmalpflege und der Archäologie. «Stelen, die üblicherweise auf Frosttiefe im Boden versenkt werden, durften wir nur behutsam in die Humusschicht bohren – unter strenger Aufsicht eines Archäologen. Die Montage jeder Tafel an den Gebäuden wurde durch die Denkmalpflege abgesegnet.»

Nicht nur die Eigentümerinnen und Eigentümer sind divers, sondern auch die Menschen, die den Stiftsbezirk besuchen. «Bei einem so durchmischten Publikum ist es praktisch unmöglich, alle gleich erfolgreich anzuspre­chen», sagt Gächter. Trotzdem: «Wir wollten die Men­schen ans Ziel bringen und den Weg von draussen ins Gebäude hinein möglichst niederschwellig gestalten.»

Um dies zu erreichen, wird die Signaletik üblicherweise bei jedem Bauprojekt schon von Beginn weg mitgedacht. Bei der Beschilderung im Stiftsbezirk arbeitete Gächter jedoch mit bestehenden Bauten, die es Besucherinnen und Besuchern bei der Orientierung nicht immer leicht machen. «Der Eingang zur Stiftsbibliothek war zum Beispiel relativ unauffällig – ganz im Gegenteil zu einem Eingang im inneren Klosterhof um die Ecke, dessen einladend gestaltete Treppe oft zu Verwechslungen führt. Deshalb sind für eine bessere Sichtbarkeit beim Eingang zur Stiftsbibliothek auffällige Stelen platziert.»

Signaletik im Praxis-Test

Wie oft müssen Touristinnen und Touristen trotz ausgeklügelter Beschilderung noch an den richtigen Ort gelotst werden? Laut Gächter sind es mit der neuen Signaletik weniger geworden. Direkte Rückmeldungen von Personen vor Ort sind ein wichtiger Indikator dafür, wie gelungen ein Projekt tatsächlich ist. Eine von Gächter besonders geschätzte Quelle dafür sind Personen vom Hausdienst. Von diesen wurde das neue Orientierungsdesign im Stiftsbezirk gut aufgenom­men – und zwar fast zu gut. «Plötzlich kamen Aschen­becher und Abfalleimer in derselben Farbe wie unsere Schilder daher. Damit ‹alles schön einheitlich ausse­he›», berichtet Gächter amüsiert. «Da mussten wir dann schon eingreifen.»