«Man muss ehrlich mit sich sein»

Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei

«Man muss ehrlich mit sich sein»

Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei
Die einen haben es schon hinter sich, den andern steht das neue Standort¬gespräch noch bevor. Zufriedenheit äussern, Kritik üben, über die Arbeit reden – was ist der Nutzen solcher Mitarbeitergespräche? Ein Interview mit Georg Amstutz, der lange Jahre Erfahrung als Mediator hat und sich in Gesprächen auskennt.

Georg Amstutz, weshalb sind Standortgespräche wichtig?

Oft werden einem Dinge erst richtig bewusst, wenn man mit jemandem darüber redet. Dazu gehören auch Emotionen, zum Beispiel wie man sich fühlt bei der Arbeit. So kommt im Dialog unmittelbar der ganze Mensch in den Blick. Das ist eine wichti­ge Funktion von Gesprächen. Im Arbeitsalltag hat es dafür meist keinen Platz, deshalb sind Standort­gespräche wichtig.

 

Und was ist der konkrete Nutzen?

Zufriedene Mitarbeitende sind die besten Mitarbei­tenden. Zufriedenheit bei der Arbeit nützt allen: den Mitarbeitenden, Vorgesetzten und dem Unter­nehmen als Ganzem. Wo stehe ich eigentlich? Was ist meine Situation? Wenn es im Standortgespräch gelingt, Probleme ansprechen und lösen zu können, wenn es gelingt, Konflikte zu entschärfen und die Arbeitssituation zu verbessern, dann haben alle etwas davon.

 

Trotzdem: Einigen Mitarbeitenden liegt das Standort­gespräch auf dem Magen …

Ich glaube, wenn Mitarbeitende einmal ein gutes Standortgespräch hatten, dann gehen sie auch mit einer positiven Erwartung ins nächste Gespräch. Im anderen Fall wird das Standortgespräch tatsächlich zur Pflicht. Natürlich kann es unangenehm sein, wenn etwa die Leistung beurteilt wird. Ein solcher Aussenblick ist aber wichtig, da er hilft, den Standort zu klären.

Im neuen Standortgespräch müssen die Mitarbeitenden eine Einschätzung ihrer Kompetenzen abgeben – wie macht man das am besten?

Es ist wichtig, sich auf diese Fragen wirklich einzulas­sen. Wie ist meine Arbeit für mich? Was kann ich gut und was kann ich nicht so gut? Bin ich wirklich zu­frieden? Es geht darum, bei diesen Fragen ehrlich mit sich selbst zu sein. Es bringt den Mitarbeitenden viel, wenn sie diese nüchterne Auslegeordnung machen und die Karten auf den Tisch legen. Denn nur so besteht auch die Aussicht darauf, dass eine weniger optimale Arbeitssituation verbessert und mehr Zufriedenheit erreicht werden kann.

 

Ist es wirklich klug, wenn man Schwächen offenlegt?

Ja, es ist vor allem sich selbst gegenüber klug. Jeder hat Stärken und Schwächen. Es ist klug, über seine Schwä­chen zu reden, weil so beispielsweise der Weg geebnet wird, sich gezielt weiterbilden zu können.

 

Darf man flunkern?

Nicht jeder ist im selben Mass bereit, offen über die Arbeit zu sprechen. Aber ein taktisches Vorgehen bringt für das Standortgespräch nicht viel. Es geht darum, ein möglichst offenes Gespräch zu suchen. Wenn es zu persönlich wird, sind aber Grenzen gesetzt. Bei einem Standortgespräch geht es nicht um «Seelenblütteln».

Darf man flunkern?

Nicht jeder ist im selben Mass bereit, offen über die Arbeit zu sprechen. Aber ein taktisches Vorgehen bringt für das Standortgespräch nicht viel. Es geht darum, ein möglichst offenes Gespräch zu suchen. Wenn es zu persönlich wird, sind aber Grenzen gesetzt. Bei einem Standortgespräch geht es nicht um «Seelenblütteln».

 

Wie können Mitarbeitende heikle Dinge ansprechen, zum Beispiel Unzufriedenheit mit der vorgesetzten Person?

Ein Schlüssel ist, bei sich selbst und seinen Gefühlen zu bleiben und das auch so zu formulieren. Wichtig ist auf jeden Fall, sich vorher genau zu überlegen, wie und wo man die Kritik formulieren will. Das Stand­ortgespräch ist auch für solche Kritik da. An diesem Gespräch sind ja zwei Personen beteiligt, es geht nicht nur um die Mitarbeitenden. Zudem muss eine vor­gesetzte Person mit Kritik umgehen können.

 

Gibt es Themen, die man besser nicht anspricht?

Apriori gibt es das nicht. Thema im Standortgespräch sind der Job und die Person. Die Grenze ist dort, wo jemand nicht mehr reden will.

 

..und wenn es zu einem Konflikt während des Gesprächs kommt?

Emotionen sind etwas Normales. Es ist manchmal wichtig zu sagen: Das macht mich hässig. Denn damit kennzeichnet man seine Position, seinen Standort. Es ist wichtig, solche Emotionen zuzulassen, gleich­zeitig aber bei der Sache zu bleiben. Emotionen sind eine Chance, weil sie einen Hinweis geben auf eine Unstimmigkeit. Sie decken ohne grosse Worte einen Sachverhalt auf, dessen Diskussion für das Standort­gespräch wertvoll sein kann. Falls es während des Gesprächs zu emotional wird, lohnt es sich, eine kleine Pause zu machen.

 

Das Standortgespräch soll ein Gespräch auf Augenhöhe sein. Trotzdem besteht eine Hierarchie: Es ist ja die vorgesetzte Person, die einem gegenübersitzt – auch nach dem Gespräch.

Diese Hierarchie bleibt auch innerhalb des Gespräches bestehen. Trotzdem sollte es möglich sein, ehrlich miteinander und offen miteinander zu reden. Ein Ge­spräch auf Augenhöhe will sagen, dass sich die beiden Personen in einem geschlossenen und geschützten Gesprächsrahmen befinden. Innerhalb von diesen ist Offenheit sehr wohl möglich.

 

Mitarbeitende und Vorgesetze stecken Zeit und Energie in die Vorbereitung und in das Standortgespräch selbst. Wie lässt sich der Gewinn konkret messen?

In Standortgesprächen geht es unter anderem um Ziele. Die Reflexion dieser Ziele bringt viel. Sind sie erreicht worden? Haben wir die Ziele möglicherweise falsch formuliert? Dieses Nachdenken über die täg­liche Arbeit ist wertvoll, weil sich die Mitarbeitenden Gedanken machen und nicht einfach ihre Arbeit ver­richten. Das führt zu Verbesserungen am Arbeitsplatz und damit zu mehr Zufriedenheit. Die Zufrieden­heit der Mitarbeitenden ist das höchste Gut für jedes Unternehmen.

 

Zurück zur konkreten Gesprächssituation: Ihr persön­licher Tipp?

Das Standortgespräch ist eine Plattform. Es lohnt sich wirklich, sich auf das Gespräch einzulassen und sich auszubreiten.

Person

Georg Amstutz ist ausgebildeter Mediator in den Bereichen Konfliktlösungskompetenz, Wirtschaft und öffentlicher Bereich. Er leitet seit 2007 den Kommunikationsdienst des Kantons Appenzell Ausserrhoden, seit 2020 im Vollamt.

Die Eckpunkte des neuen Standortgesprächs

Das neue Standortgespräch in der Staatsverwaltung fördert den Dialog zwischen Mitarbeitenden und Führungspersonen. Seine zentralen Bausteine sind das neue Kompetenzmodell, die Selbsteinschätzung sowie der Dialog über die persönliche Entwicklungsperspektiven. Sie ermöglichen einen vielschichtigen Austausch. Weitere Neuerungen sind die Überarbeitung des Feedbacks an die Vorgesetzten und die
Digitalisierung des bisherigen Papierprozesses mittels der neuen Software SAP SuccessFactors.


Das neue Tool wird von rund 4000 Usern in der Staatsverwaltung genutzt. Viele Wünsche und Verbesserungsvorschläge wurden bereits im Vorfeld des Rollouts umgesetzt und werden auch zukünftig in die Weiterentwicklung einfliessen, etwa über einen möglichen Ausbau mit weiteren Modulen.