Wir sehen vor uns eine Grossstadt mit einzelnen prägnanten Bauten wie den Eiffelturm, die Notre Dame, die Sacré-Coeur, den Arc de Triomphe und die Defense, die aus der dichten Masse des Stadtkörpers hervortreten und diesem sein unverkennbares Gepräge geben. Verteilt über den riesigen Stadtkörper bleiben diese Monumente quantitativ eine verschwindende Minderheit. Genau diese Objekte helfen uns jedoch, im Gewusel des Gebauten die Orientierung zu behalten.
Was für die bekanntesten Metropolen der Welt gilt, kennen wir auch in unseren kleineren Städten und Dörfern: Markante Bauten, Plätze und Achsen machen bestimmte Orte und Landschaften einmalig. Im St.Galler Oberland ist es das Schloss Sargans, welches über der ganzen Ebene trohnt und kaum zu übersehen ist. Im Fürstenland die Altstadt von Wil mit dem Hof.
Hoch über dem Seeztal das Kirchlein von Berschis. Und in St.Gallen natürlich die Skyline mit den Türmen der Stiftskirche, der Kirche St.Laurenzen und den Hochhäusern des Spitals, des Rathauses und der Fachhochschule.
Wie Menschen einen Ort räumlich wahrnehmen, hat Auswirkungen auf ihre Beziehung zum Ort und auf ihre Bewegungsmuster im Raum. Ein stimmiges Ortsbild erlaubt eine gute Orientierung, schafft Wohlbefinden und bildet eine gute Basis für die Identifikation der Bevölkerung mit dem Ort.
Die Bedeutung baulicher Akzente
In kleinen Dörfern sind es meist die Kirchen und Dorfplätze, welche prägend sind. In grösseren Siedlungsgebieten kommen hohe oder monumentale Bauten, Boulevards und Parkanlagen dazu. Innerhalb des Siedlungskörpers sind es die Sichtverbindungen, welche uns die Orientierung geben. Ausserhalb ist es die Skyline mit den über den Horizont ragenden Bauten. In den Schweizer Städten sind hohe Bauten die Ausnahme. Das gibt ihnen eine grössere Bedeutung als Orientierungspunkt und Akzent, weshalb auch in Zukunft sparsam und bewusst mit ihnen umgegangen werden sollte. Laufende Veränderungen an diesen «Landmarks» (Wahrzeichen) vermindern den Identitäts-und Orientierungswert eines Ortes.
Der finnische Architekt Alvar Aalto (1898–1976, Helsinki) schrieb zur Ortsplanung: «Eine Wohnung ist so sehr von der städtebaulich geschaffenen oder geplanten Umgebung abhängig, dass es unmöglich ist, sie davon zu trennen.» Die Landschaft, die Stadt, das Dorf und die Wohnung sind also unsere Lebensräume, die uns auf verschiedenen Ebenen Halt und Orientierung geben müssen.
Qualitätsvolle Ortsplanung geht von den menschlichen Bedürfnissen nach Massstäblichkeit, Identität und Orientierung aus. Eine ausgewogene Mischung dieser Komponenten und die Einbettung in die ortstypische Landschaft ergeben ein pulsierendes und unverkennbares Ganzes, wie wir das im eingangs erwähnten Beispiel kennen und schätzen.