«Ich bin hier unter Gleichgesinnten»

Tanja Scartazzini und die St. Galler Kultur

Text: Dana Balmer, Praktikantin Kommunikation, Staatskanzlei | Fotos: Thomas Hary

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Sie leitete die Fachstellen «Kunst am Bau» und «Kunstsammlung» des Kantons Zürich, nun steht sie an der Spitze des St. Galler Amtes für Kultur: Tanja Scartazzini. Die 49-jährige Juristin und Kunstexpertin über die St. Galler Kultur und über ihre Motive und Ziele.

Tanja Scartazzini, Sie kommen von der Kulturmetropole Zürich ins eher ländliche St. Gallen. Was hat Sie dazu bewogen?

Mich hat diese Stelle gereizt. Bei meiner Tätigkeit als Leiterin der Kunstsammlung Kanton Zürich war ich auf einen kleinen Bereich der Kultur fokussiert. Was ich jetzt mache, ist viel umfassender. Ich bin jetzt nicht nur für die bildende Kunst verantwortlich, sondern ich sehe auch beispielsweise in die Archäologie hinein. Hier in St. Gallen ist Kultur in einem Amt versammelt. Das gibt mir viel Energie, ich bin unter Gleichgesinnten. Das war ein wichtiger Grund, nach St. Gallen zu kommen.

«Die St. Galler sind sich bewusst, welchen Schatz sie hier haben.»

Der Kanton St. Gallen ist eher ländlich-konservativ. Rechtsbürgerliche Politiker möchten zum Beispiel
bei der Kultur sparen. Was sagen Sie diesen Leuten?

Bei den bisherigen Sparprogrammen sind wir relativ gut davongekommen. Ausserdem habe ich überall, wo ich hinkomme, das Gefühl, dass Kultur als ein wichtiger Bestandteil betrachtet wird. Die St. Galler sind sich bewusst, welchen Schatz sie hier haben.
Natürlich wird die Kultur auch hinterfragt, das ist aber richtig. Man soll ja diesen Diskurs führen, was Kultur ist und was man fördern will.

Was sind für Sie die kulturellen Highlights im Kanton?

Es gibt im Kanton St. Gallen sehr viele! Da ist sicher das Stiftsarchiv zu nennen, ein Besuch dort lohnt sich immer. Zu den Highlights gehört für mich auch das geplante Klanghaus mitsamt der Klangwelt im Toggenburg. Hinzu kommt auch das Kunstmuseum, das eines der wirklich guten Museen der Schweiz ist mit seiner grossartigen Sammlung. Mittlerweile habe ich eine Menge anderer Glanzlichter in den Regionen kennengelernt, welche man als Aussenstehende leider zu wenig kennt. Zu diesen zählt sicher das Schloss Werdenberg.

Was war vor der neuen Stelle ihr Bezug zu St. Gallen?

Ich habe während meines Jus-Studiums zwei Jahre hier gewohnt. Später habe ich St. Gallen immer von Zürich aus beobachtet. Ausserdem habe ich in meiner Zeit in Zürich als Leiterin der Kunstsammlung Kanton Zürich die Freiheit genommen, nicht nur Zürcher Künstlerinnen und Künstler an «Kunst am Bau»-Wettbewerbe oder Studienaufträge einzuladen, sondern auch St. Galler Kunstschaffende.

Sie führen jetzt das Amt für Kultur. Ihre Ziele?

Ich will zunächst alles genau kennenlernen und mich hier vernetzen, sowohl in der Verwaltung wie auch in den Regionen. Dann möchte ich mich auf das Amt für Kultur konzentrieren, denn ohne gute Mitarbeitende geht nichts. Als Drittes möchte ich in die Zukunft schauen. Dazu gehört, das Bestehende weiterzupflegen, aber auch neue Themen aufzugreifen.

Welche?

Eine der ganz grossen Aufgaben in der Kulturförderung ist es, im Bereich der sozialen Sicherheit der Kulturschaffenden aktiver zu werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie fragil ihre Situation ist. Ich persönlich bin seit Jahren mit der Rolle der Frau in der Kultur beschäftigt. Das Gefühl, die Kulturbranche sei gleichberechtigt, täuscht. Bei genauerer Betrachtung ist dem nicht so. Auch hier möchte ich mich engagieren.

Sie sind als Amtsleiterin zu 100 Prozent und haben noch zwei Kinder im Teenageralter. Wie bringen Sie das unter einen Hut?

Das frage ich mich manchmal auch! Es funktioniert, weil meine Kinder sich eine arbeitende Mutter von klein auf gewohnt sind und mittlerweile ja auch schon grösser sind. Ich habe immer 80 oder 100 Prozent gearbeitet. Es ist nicht immer leicht gewesen und bezüglich Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es noch zu tun. Ein Vorteil meiner jetzigen Lebenssituation ist, dass die Kinder die Hälfte der Woche bei meinem Ex-Partner sind. Aber auch diese Aufteilung will gut organisiert sein.