06:45
Wenn Walter Hess am Tag einer Sprengung im Steinbruch eintrifft, hat er 80 Prozent der Arbeit schon erledigt. An den Tagen zuvor hat er ein Bohrschema erstellt, den Sprengstoff berechnet, die Bohrlöcher in den Fels gebohrt. «Ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen gehört zu den wichtigsten Eigenschaften eines Sprengmeisters», sagt er.
07:00
Um das Sprengstoff-Magazin zu öffnen, muss Walter Hess mehrere Alarmanlagen entsichern. Die zwei Sorten Sprengstoff sind in Plastikhüllen verpackt, sie sehen aus wie eine lange Wurst. Der eine Sprengstoff ist grau und teigig. Er ist brisant – das heisst, er hat eine sehr grosse Sprengkraft. Sein Vorteil: Er kann auch verwendet werden, wenn sich in den Bohrlöchern Regenwasser angesammelt hat. Der andere Sprengstoff ist granulatförmig, wie kleine, weisse Sagexkügelchen. Er ist weniger brisant und führt deshalb zu weniger Erschütterungen. Heute kommt eine Mischung aus beiden Sorten zum Einsatz, rund 130 Kilogramm. Damit sprengt Walter Hess ungefähr 500 Kubikmeter Fels, die ein Gewicht von etwa 1250 Tonnen haben.
07:50
Walter Hess fährt mit dem Auto zur Sprengstelle ganz zuoberst im Steinbruch. Dort füllt er den Sprengstoff in die Bohrlöcher, die zwischen 5 und 10 Meter tief sind und einen Durchmesser von knapp 10 Zentimetern haben. Zwei Drittel des Sprengstoffs kommen mit einem Zünder in den untersten Teil des Bohrlochs. Dann folgen Split, Sprengstoff, Split, Sprengstoff. Den Rest des Bohrlochs füllt er wieder mit Split, damit die Energie nicht durchs Loch verpufft. «Hilfe beim Schaufeln nehme ich gerne an. Aber der Mitarbeiter sollte nicht mit mir plaudern wollen, denn diese Arbeit erfordert höchste Konzentration.»
12:15
Heute verbringt Walter Hess seine Mittagspause im Steinbruch. Er darf den Sprengstoff nicht aus den Augen lassen. An den meisten anderen Mittagen fährt er nach Hause. Im Gegensatz zu Sprengmeistern in grossen Firmen, die in der ganzen Schweiz unterwegs sind, sind seine Arbeitszeiten geregelt. «Ich schätze es sehr,
in einen Betrieb eingebunden zu sein und die Familie in der Nähe zu haben.»
14:00
Auf jedes Bohrloch legt Walter Hess einen weiteren Zünder. Diese verbindet er mit Kabeln und programmiert verschiedene Zündstufen. Damit die Sprengung funktioniert, dürfen nicht alle Löcher gleichzeitig explodieren. «Mit 25 bis 40 Millisekunden ist der Abstand zwar minim, aber entscheidend», sagt er.
15:10
Die Anspannung bei Walter Hess erreicht ihren Höhepunkt. Alle Mitarbeiter haben mittlerweile das Gelände verlassen, die Zufahrtsstrasse in den Steinbruch ist abgesperrt. Walter Hess geht rund 150 Meter von der Sprengstelle entfernt hinter einem grossen Felsblock in Deckung.
Er legt den Schalter um. Ein Knall, ein lautes Donnern, eine riesige Staubwolke. Es riecht nach Feuerwerk. Diesen Geruch mag Walter Hess. Sobald der Staub verzogen ist, geht er zur Sprengstelle und ist erleichtert.
Ein Knall, ein Donnern, eine Staubwolke. Es riecht nach Feuerwerk. Diesen Geruch mag ich.
Es hat alles geklappt. «Ein wenig risikofreudig muss man für diesen Job schon sein», sagt Walter Hess. Umso wichtiger ist es, sich gewissenhaft auf die Sprengung vorzubereiten. Und er weiss um die Unterstützung der heiligen Barbara, deren Abbild beim Eingang zum Steinbruch steht. Sie ist die Schutzpatronin der Bergleute.
15:45
Felsblöcke verschiedener Grössen liegen hinter der Sprengstelle auf einem Haufen. Die grossen Steine werden für Stützmauern bei Strassen oder Bachverbauungen genutzt. Auch das kleinere Material findet Verwendung: «Beinahe alles Kies auf Naturstrassen im Toggenburg kommt von hier», erklärt Walter Hess.
Es ist zum grössten Teil Schrattenkalk. Künftig soll weiter hinten im Steinbruch auch Kieselkalk abgebaut werden. Dieser ist etwa gleich hart wie Granit und wertvoller als Schrattenkalk.
Nun ist Aufräumen angesagt. Walter Hess versorgt den Sprengstoff zurück ins Magazin, rechnet aus, wie viel Sprengstoff sich noch in den Schachteln befindet, notiert, wie viel Volumen er gesprengt hat. Bleibt die Frage, wie man Sprengmeister wird. Walter Hess kam 2016 in den Steinbruch Starkenbach und absolvierte dann mehrere Prüfungen zum Sprengmeister. Bohren und Sprengen im kleinen Rahmen kannte er aus dem Tiefbau, wo er mehrere Jahre arbeitete. Und schon als Kind zündete er gerne Feuerwerk. «Es ist ein Job, mit dem ich alt werden möchte. Ich würde ihn auch für viel Geld nicht hergeben», sagt er und verabschiedet sich in den Feierabend.