«Mir ging das Herz auf»

René Schmid von der Staatskanzlei gibt in der Freizeit Deutschunterricht für Fremdsprachige. Vor allem das Interesse an Menschen und ihren Geschichten motiviert ihn.

Susanne Wahrenberger, Kommunikation Staatskanzlei / Bild: Thomas Hary

«Mir ging das Herz auf»

René Schmid von der Staatskanzlei gibt in der Freizeit Deutschunterricht für Fremdsprachige. Vor allem das Interesse an Menschen und ihren Geschichten motiviert ihn.

Susanne Wahrenberger, Kommunikation Staatskanzlei / Bild: Thomas Hary

Einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren und das Ticket in Moskau selber kaufen: auf Russisch. Dieses Ziel hat René Schmid vor etwa 15 Jahren dazu gebracht, einen Russisch-Kurs zu besuchen. Bis heute ist er drangeblieben. Aktuell übt er einmal wöchentlich via Skype mit einer Lehrerin aus Russland.

Sprachen faszinieren René schon lange. Insbesondere die Frage, wie man eine neue Sprache am besten lernt. Das sei wohl ein Überbleibsel aus der Oberstufe, erzählt er. Damals habe er im Französischunterricht ellenlange Wörtli-Listen auswendig lernen und trockene Grammatik pauken müssen. «Das war ein Ansporn für mich zu zeigen, dass man es besser machen kann.»

Teilnehmende bestimmen Unterrichtsinhalt

René Schmid ist Fachperson Publishing in der Staatskanzlei. Seit einigen Jahren beweist René, dass Unterrichten auch anders geht. Jeweils am Samstagvormittag bringt er fremdsprachigen Bauarbeitern, Malerinnen oder Reinigungskräften die deutsche Sprache bei. Ihr Sprachniveau ist ganz unterschiedlich. Zu den Kursen angemeldet werden sie von ihren Arbeitgebern.

Ganz freiwillig sind sie also nicht da. Umso wichtiger ist es René, im Unterricht eine motivierende Atmosphäre zu schaffen und ihn auf die Praxis und den Alltag auszurichten. Die Bedürfnisse der Teilnehmenden bestimmen den Lehrplan. Die Kunst sei es, sie überhaupt dazu zu bringen, ihre Bedürfnisse zu äussern. Denn 

Es ist schön zu sehen, wenn sich die Teilnehmenden nach einem Kurs sprachlich sicherer bewegen können und dadurch auch selbstständiger werden.

für viele sei das neu. Häufige Unterrichtsthemen sind: der Arztbesuch, die richtige Krankenkasse finden, die Steuererklärung. «Es ist schön zu sehen, wenn sie sich nach einem Kurs sprachlich sicherer bewegen können und dadurch auch selbstständiger werden», sagt René.

«Du gutes Lehrer»

Für die drei Stunden Unterricht am Samstagvormittag muss sich René immer mindestens drei Stunden vorbereiten. Wird ihm das nebst seiner 100-Prozent Anstellung bei der Staatskanzlei nicht manchmal zu viel? René schüttelt den Kopf. Unterricht gebe ihm auch Energie. 

Er erzählt von einer besonderen Begegnung: Ein Mann aus den Kapverden besuchte eine Klasse mit einem für ihn viel zu hohen Niveau. René machte sich viele Gedanken, was er tun könnte, damit dieser Schüler nicht zu kurz kommt. Auch einen Klassenwechsel habe er ihm mehrmals angeboten. Der Mann lehnte ab. Am Ende des Kurses sagte er zu René: «Du gutes Lehrer. Ich viel gelernt habe.» Da sei ihm das Herz aufgegangen. Ausserdem dauerten die Kurse jeweils nur 13 Wochen. Zwischen den beiden Semestern bleibe genügend Zeit, sich zu erholen. Gegen Ende der Pause freue er sich aber immer, bis es wieder losgehe.

Du gutes Lehrer. Ich viel gelernt habe.

Welchen seiner beiden Jobs er lieber mache, das habe er sich auch schon gefragt. Nur unterrichten wolle er aber nicht. «Müsste ich jeden Tag unterrichten, würde ich wohl nicht mehr mit dem gleichen Enthusiasmus an die Sache rangehen.» Wer mit René über seine Lehrtätigkeit spricht, spürt diesen angesprochenen Enthusiasmus sofort. Die Kombination seiner beiden Tätigkeiten passt für René also ideal.

Die Menschen und ihre Geschichten

Die Menschen und ihre Geschichten faszinieren ihn besonders. Er bewundert, wie sich die Kursteilnehmenden trotz sehr bescheidener Sprachkenntnisse im Alltag durchschlagen. Vieles funktioniere bei ihnen über persönliche Gespräche und übers Nachfragen. Davon könnten wir Schweizerinnen und Schweizer etwas mitnehmen, findet René.

Schwierige Situationen gibt es auch. Etwa, wenn die Arbeiter von ihren Arbeitgebern ausgenutzt werden. Dann ermutigt René sie, ihr Schicksal nicht einfach hinzunehmen, sondern ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Dazu gehört auch, die deutsche Sprache besser zu lernen. Denn wer besser Deutsch spricht, kann Weiterbildungen absolvieren, bekommt bessere Jobs und kann sich besser für seine Anliegen wehren. René Schmid ist also glücklich mit seinem Lehrerdasein. 

Eine Rechnung ist aber noch offen: Die lange Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn hat es bisher nicht gegeben. Er lacht: «Immerhin war ich mit einer Schmalspurbahn in den ukrainischen Wäldern unterwegs.»