Mit der Schule allein ist es nicht getan

Rund 150 Kinder leben aktuell in den kantonalen Asylzentren. Sie gehen dort zur Schule, brauchen aber auch sonst eine altersgerechte Betreuung. Das Projekt «Kijuma» hat in diesem Punkt weitergeholfen.

Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei

Mit der Schule allein ist es nicht getan

Rund 150 Kinder leben aktuell in den kantonalen Asylzentren. Sie gehen dort zur Schule, brauchen aber auch sonst eine altersgerechte Betreuung. Das Projekt «Kijuma» hat in diesem Punkt weitergeholfen.

Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei

Krieg, Unruhen, Verfolgung: Flüchtlinge, die den Weg in die Schweiz geschafft haben, sind oft gezeichnet – von der Flucht selbst oder von den Gründen, die sie in die Flucht getrieben haben. Das gilt besonders für Kinder. «Man sieht es ihnen nicht auf den ersten Blick an», sagt Markus Laib, stellvertretender Leiter der Asylabteilung im Migrationsamt. «Aber man merkt schnell, dass vor allem sie sehr zu beissen haben.»

Markus Laib muss es wissen. Er hat 25 Jahre lang das Asylzentrum Thurhof bei Oberbüren geleitet. Was den Flüchtlingskindern zu schaffen macht: Sie haben Mühe zu verstehen und einzuordnen, was ihnen passiert ist. Sie leiden stärker unter dem Verlust des sozialen Umfeldes in ihrer Heimat. Und sie leiden stärker als Erwachsene unter den engen Platzverhältnissen in einem Zentrum und den oft fehlenden Möglichkeiten zu spielen. 

25 Lektionen pro Woche

Immerhin: Flüchtlinge, die im Asylzentrum Thurhof untergebracht sind, haben gute Aussichten, in der Schweiz aufgenommen zu werden. Deshalb ist die Zeit hier bereits voll auf Integration ausgerichtet. Die Kinder gehen zum Beispiel zur Schule, 25 Lektionen pro Woche. «Wir haben im Thurhof aktuell 36 schulpflichtige Schülerinnen und Schüler aus den verschiedensten Nationen, die von drei Lehrpersonen und einer Assistenz betreut werden», sagt Laib. 

«Man sieht es ihnen nicht auf den ersten Blick an. Aber man merkt schnell, dass vor allem die Kinder sehr zu beissen haben.»

Das Ziel sei, die Kinder auf den Besuch einer öffentlichen Schule vorzubereiten – also dann, wenn der Asylantrag positiv ausgefallen ist, die Familie in der Schweiz bleiben kann und in einer Gemeinde lebt. 

Den Blick öffnen

So ernsthaft der Unterricht in den Zentren mit Deutsch, Mathematik, Allgemeinbildung, Sport und musischen Fächern betrieben wird – eine Schwachstelle bleibt: «Der reguläre Unterricht bei uns kann nicht auf sämtliche Bedürfnisse der Flüchtlingskinder eingehen. Wir sind vor allem auf die Schule konzentriert», sagt Markus Laib. Das zeigte auch das Projekt «Kijuma» der Flüchtlingsorganisation «Save the children». Die Organisation ist bereits zweimal in St.Galler Zentren gewesen und hat Projekte durchgeführt, die näher bei den Kindern sind als die reguläre Schule. «Für uns waren diese Projekte sehr aufschlussreich », sagt Laib und zeigt die Broschüre «Kijuma», ein Heft mit vielen Texten und Bildern, das aus der Arbeit hervorgegangen ist (vgl. die Bilder zum Artikel).

Weichere Qualifikationen sind gefragt 

Die Fachpersonen von «Save the children» konzentrieren sich stark auf die spezifische Lebenssituation der Flüchtlingskinder. Woran fehlt ihnen? Was brauchen sie wirklich? In der Beschäftigung mit diesen Fragen haben nicht nur die Kinder etwas über sich gelernt. Auch das Zentrum selbst ist auf blinde Flecken aufmerksam geworden, sagt Laib. «Wir haben unsere Perspektive erweitern können. Weg von der Fokussierung auf den Schulbetrieb, hin zu den Rahmenbedingungen in unseren Zentren.»

Diese Erfahrung wirkt nach. «Wir haben gelernt, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten mehr Aufmerksamkeit auf ausserschulische Aspekte legen müssen, das heisst auf die Freizeitgestaltung, auf die Zeit am Wochenende oder auf die Schulferien.» Für die Kinder sei es wichtig, dass die Zentren auch diese Zeiten kindergerecht ausgestalten – und dass sie die Kinder nicht einfach sich selbst überlassen.

Gezielter Personal suchen

Diese Erfahrung wirkt nach. «Wir haben gelernt, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten mehr Aufmerksamkeit auf ausserschulische Aspekte legen müssen, das heisst auf die Freizeitgestaltung, auf die Zeit am Wochenende oder auf die Schulferien.» Für die Kinder sei es wichtig, dass die Zentren auch diese Zeiten kindergerecht ausgestalten – und dass sie die Kinder nicht einfach sich selbst überlassen. «Der Perspektivenwechsel hat sich jüngst auch auf die Personalsuche ausgewirkt. Aktuell suchen zwei Zentren jemanden für den Dienst am Wochenende», erzählt Laib. Bis vor Kurzem waren hier Qualifikationen gefragt, die vor allem auf Ordnung und Sicherheit am Wochenende ausgerichtet waren. «Jetzt suchen wir jemanden, der auch andere Qualitäten mitbringt und eben auch mit Kindern gut umgehen kann.»

Zur Person

Markus Laib hat Sozialarbeit studiert und war 25 Jahre lang Leiter des kantonalen Asylzentrums Thurhof in Oberbüren. Seit sechs Jahren ist er stellvertretender Leiter der Abteilung Asyl im Migrationsamt.