Olivia kennt den Puls in der St.Galler Hauptpost-Bibliothek. Und der kann schon mal hochgehen. Vor allem vor den Ferien oder während der hektischen Prüfungsphasen der Hochschulen ist hier Hochsaison. «Dann stehen die Leute oft schon um halb acht im Treppenhaus Schlange, um einen der rund 100 Arbeitsplätze bei uns zu ergattern», sagt sie.
Nah bei den Besuchenden
In ihrer bald 500-jährigen Geschichte hat sich die Kantonsbibliothek Vadiana vom einst stillen Hort des Wissens hin zum öffentlichen Ort der Begegnung entwickelt. Seit 2015 bildet die Vadiana zusammen mit der Stadtbibliothek Katharinen im Provisorium im ersten Stock der Hauptpost einen lebendigen Treffpunkt für Wissbegierige und Kulturliebhabende.
Wir möchten nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch die Gemeinschaft fördern
Als Mitarbeiterin im Bereich Publikumsdienste kennt Olivia die Bedürfnisse ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Die 27-Jährige schloss 2020 ihr Bachelor-Studium in Information Science mit Schwerpunkt Archivwissenschaft an der FH Graubünden ab und gehört seither fix zum Vadiana-Team. Als Informations- und Dokumentationsspezialistin arbeitet die gebürtige Bündnerin in der Erwerbung und im Publikumsdienst, sie ist in der Bibliothek Hauptpost vor allem an der Infotheke anzutreffen. Dort hilft sie Besucherinnen und Besuchern beim Erstellen eines Benutzerkontos, erklärt, wo welche Literatur, Hörbücher oder Mikrofilme zu finden sind, gibt Tipps zur Recherche, zu E-Book-Readern, Neuerscheinungen oder beantwortet Fragen rund um die «Dibiost», die digitale Bibliothek Ostschweiz.
Von Sprachkursen bis Kochworkshops
Die Kantonsbibliothek ist in den letzten Jahren auch zu einem Raum für gemeinsames Entdecken und Erleben geworden. Es gibt hier eine Vielzahl von Veranstaltungen – rund 120 waren es im vergangenen Jahr – von Sprachkursen über historische Vorträge bis hin zur Schreibwerkstatt. Oder es wird gekocht, wie zum Beispiel im Molekular-Küchen-Workshop von Rolf Caviezel.
Genial: der «PressReader»
«Dibiost», die digitale Bibliothek Ostschweiz, ermöglicht allen Nutzerinnen und Nutzern, die über ein Benutzerkonto der Stadt- und Kantonsbibliothek verfügen, einen orts- und zeitunabhängigen Zugriff auf Bücher, Hörbücher, Zeitungen, Zeitschriften, Musik, Filme oder Nachschlagewerke. Auch der «PressReader» werde immer beliebter. Dieser Onlinedienst ermöglicht Zugriff auf E-Paper von rund 7000 Zeitungen und Zeitschriften aus 100 Ländern und in 60 Sprachen.
Für ganz unterschiedliche Bedürfnisse
«Unser Ziel ist es, die Bibliothek für alle zugänglich und inklusiv zu gestalten», sagt Olivia. Sie absolviert derzeit eine Weiterbildung in Deutschschweizer Gebärdensprache. Als Ansprechperson für Inklusionsfragen hilft sie mit, Rundgänge, Lesungen oder Vorträge zu organisieren, die von einer Gebärdensprachdolmetscherin begleitet werden. Zudem hält sie Infos zur Blindenschrift Braille, Hör- und Sehhilfen bereit und freut sich, wenn immer sie Hemmschwellen für einen Bibliotheksbesuch abbauen kann. «Wir möchten nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch die Gemeinschaft fördern und allen Interessierten eine Plattform für lebenslanges Lernen bieten.»
Eine neue Bibliothek
im Herzen von St.Gallen
Eine 1300-jährige Bibliothekstradition verpflichtet. Deshalb soll beim Union/Blumenmarkt in St.Gallen nicht nur baulich eine neue Kantons- und Stadtbibliothek entstehen. Auch inhaltlich soll die gemeinsame Bibliothek in die Zukunft weisen. Eine moderne Bibliothek mit neuen Angeboten für die Bevölkerung des gesamten Kantons: Dies ist das Ziel der Zusammenführung der Kantons- und Stadtbibliothek. Die Zusammenführung ist ein Auftrag aus dem Bibliotheksgesetz. Heute sind die Bibliotheken auf vier Standorte verteilt. Künftig stehen den Besucherinnen und Besuchern alle Medien an einem Standort zur Verfügung.
Aktuelle Informationen zum Projekt sind auf der Website neuebibliothek.ch erhältlich.
So vielfältig das Bibliotheksangebot ist, so vielfältig ist das Publikum. Studierende, Schülerinnen und Schüler, Menschen jeden Alters, aller Berufsgattungen und aus verschiedenen Lebensbereichen kommen heute hier her.
Das Buch ist keineswegs tot
Entsprechend breit ist das Angebot mit rund 100 000 Medien, Bücher, Zeitschriften, CDs, DVDs. «Heute wird auch häufig gezielt nach Lektüre von internationalen Autorinnen und Autoren gefragt oder zu aktuellen Themen wie LGBTQ», erzählt Olivia. Dabei wird sie auch nach ihrer persönlichen Meinung zu Büchern gefragt, die gerade auf Social-Media-Kanälen rezensiert worden sind, zum Beispiel unter «BookTok» auf Tiktok. «Dank dieser neuen Kanäle sind Bücher wieder unglaublich trendy», sagt Olivia. Das schon totgesagte Buch hat also wieder Aufschwung, und damit auch die Bibliothek.