Erol, das Medienecho zum Siegerprojekt «Tsumiki» war gross und positiv. Wie fühlt sich das an?
Das Echo war erstaunlich. Selbst kritische Stimmen aus den Medien waren vom Projekt begeistert. Das freut mich sehr. Es bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Wahl des Projektes ist ein Meilenstein.
Wie kommt ein solch wichtiger Entscheid zustande?
Der eigentliche Entscheid passiert nicht von heute auf morgen. Man kann ihn weder vorausbestimmen noch erzwingen. Vielmehr nähert man sich in der Jury als Gruppe dem Entscheid. Indem man die eigenen Standpunkte vertritt, einander zuhört und sich austauscht. Es ist ein partizipativer Prozess. Durch den Austausch lernt man dazu und bildet sich eine eigene sachliche Meinung zu den einzelnen Projekten.
Besteht der Entscheidungsprozess also eher aus Phasen?
Je nach Anzahl Projekte findet ein Ausscheidungsverfahren statt. Die Jury scheidet diejenigen Projekte aus, die in verschiedenen Anforderungskriterien nicht überzeugen. Nach mehreren Durchgängen steht die engere Auswahl fest. Im Fall des Campus Platztor schafften es schliesslich 5 von 16 eingereichten Projekten in die engere Auswahl. Den eigentlichen Entscheid fällte die Jury an zwei Tagen. Zwischen den beiden Jurytagen lagen Zeitspannen von gut zwei Wochen, damit die Jury die verbliebenen Projekte vertieft prüfen konnte.
War das Siegerprojekt von Anfang an Favorit der Jury?
Nein, es war zu Beginn nicht klar, dass «Tsumiki» das Siegerprojekt sein würde. Die Diskussionen waren intensiv und kritisch. So soll es auch sein. Dadurch können die unterschiedlichen Meinungen ausgesprochen und die ausschlaggebenden Themen gegeneinander abgewogen werden. So entsteht eine sachliche Diskussion. Schliesslich ist es kein elitärer Entscheid einer einzigen Person, sondern ein Gemeinschaftsentscheid der Jury.
Wer war denn in der Jury?
In der Fachjury sassen vier Architektinnen und Architekten, die bereits Juryerfahrung in ähnlichen Projekten haben. Die Sachjury bestand aus HSG-Rektor Manuel Ammann, dem St.Galler Stadtrat Markus Buschor sowie den Regierungsmitgliedern Bettina Surber und Susanne Hartmann. Die Fachleute müssen versuchen, mit ihrem Wissen die Sachjury mitzunehmen, sodass diese sich eine ausgewogene Meinung machen kann. So kann in der Gruppe ein Entscheid herbeigeführt werden, der bestenfalls einstimmig ausfällt. Bei «Tsumiki» fiel der Entscheid grossmehrheitlich aus.
Welche Entscheidungskriterien spielen eine Rolle?
In einem Architekturwettbewerb sind die Kriterien immer dieselben. Zentral ist die städtebauliche Einbindung. Das heisst, das Projekt muss wie massgeschneidert am Ort sitzen. «Tsumiki» passt sich gut in die bestehende Umgebung ein. Ganz wichtig ist auch die Funktionalität. Das Gebäude muss für die Nutzenden ein Ort werden, an dem sie gut arbeiten und sich aufhalten können. Hier konnte das Siegerprojekt vollumfänglich überzeugen. Das Architekturbüro hat es verstanden, die Flächenbedürfnisse der HSG in ein verträgliches Volumen zu packen. Wichtiger denn je ist der ökologische Aspekt. Der neue Campus wird ein Holzbau. Schliesslich spielen die Kosten eine Rolle. «Tsumiki» ist aufgrund des zurückhaltenden Volumens das günstigste Projekt der engeren Auswahl.
Der erste Anlauf für den HSG-Campus ist gescheitert. Wie hat dies den zweiten Wettbewerb beeinflusst?
Wir konnten aus den Erfahrungen des ersten Wettbewerbs dazulernen. Der erste Durchlauf war von einer Reihe anspruchsvoller Rahmenbedingungen geprägt. Diese führten in der Summe dazu, dass die Voraussetzungen für eine tragfähige Projektentwicklung nicht gegeben waren. Das ursprüngliche Projekt konnte in den letzten Jahren nicht in der nötigen Qualität weiterentwickelt werden. Deshalb mussten wir die Arbeit abbrechen und das Projekt neu ausschreiben. Wir haben den Mut aufgebracht, ein paar Schritte zurückzugehen und einen zweiten Anlauf zu wagen. Für den Juryentscheid für den Campus Platztor bedeutete dies: die Schwächen des ersten Verfahrens erkennen, die Ursachen analysieren und im zweiten Anlauf gezieltere Entscheide treffen. Dieser Weg war richtig. Er hat uns zu «Tsumiki» geführt.