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Immer schön cool bleiben

In der Notruf- und Einsatzzentrale St.Gallen klingelt es täglich über 300-mal. Wenn Menschen in Not sind und wenn es eilt, wie bewahrt man da einen kühlen Kopf? Zu Besuch bei Polizistin Beata Aepli.

Text Susanne Wahrenberger | Foto Thomas Hary

Immer schön cool bleiben

In der Notruf- und Einsatzzentrale St.Gallen klingelt es täglich über 300-mal. Wenn Menschen in Not sind und wenn es eilt, wie bewahrt man da einen kühlen Kopf? Zu Besuch bei Polizistin Beata Aepli.

Text Susanne Wahrenberger | Foto Thomas Hary

Höre ich die Sirene der Polizei oder eines Krankenwagens, setzt sofort das Gedankenkarussell ein: Hatte jemand einen Herzinfarkt? Wurde in der Nachbarschaft eingebrochen? So geht es mir auch am Tag, als ich auf dem Weg in die Notruf- und Einsatzleitzentrale bin und kurz nacheinander ein Krankenwagen und ein Polizeiauto mit Blaulicht an mir vorbeirauschen. 

 

 Im Reich von Beata 

Jemand, der weiss, was hinter solchen Einsätzen steckt, ist Beata Aepli. Seit gut 15 Jahren arbeitet sie in der Notruf- und Einsatzleitzentrale – kurz NEZ. Die NEZ koordiniert sämtliche Einsätze von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr für den ganzen Kanton. Seit Sommer 2025 befindet sich die NEZ St. Gallen auf dem Dach des Einkaufszentrums Lerchenfeld. Herzstück ist der Kommandoraum: rund 20 Arbeitsplätze, jeder mit fünf Bildschirmen ausgestattet. An einer Wand flimmern rund 30 weitere Monitore – Livebilder von Autobahnen im ganzen Kanton.

Das ist das Reich von Beata. Sie überwacht den Verkehr, sperrt Fahrspuren bei einem Unfall oder schaltet Warnhinweise bei Unterhaltsarbeiten. Und wenn am Notruftelefon Hochbetrieb herrscht, hilft sie auch dort mit. Mehr als 140 000 Anrufe gingen 2024 in der NEZ ein. An diesem Nachmittag ist es aussergewöhnlich ruhig. «Der Vorführeffekt», sagt Beata.

«Wir brauchen
für die Arbeit hier
viel Empathie.»

Kaum ausgesprochen, kommt kurz Hektik auf. Eine Autofahrerin meldet, sie sei auf der Autobahn von einem Lastwagen touchiert worden. Beata lokalisiert das Fahrzeug auf ihren Bildschirmen, während ihr Kollege mit der Anruferin spricht. «Auf keinen Fall auf der Fahrerseite aus dem Auto steigen», warnt der Kollege. Beata bietet eine Patrouille auf, die gerade in der Nähe ist. Drei Minuten später erscheint das Polizeiauto im Videobild, kurz darauf das Feedback: keine Verletzten, keine Verstärkung nötig.

Teamarbeit ist entscheidend, sagt Beata. «Alle unterstützen dort, wo es gerade nötig ist.» Flexibilität gehört genauso dazu – man weiss nie, was als Nächstes kommt. Die wichtigste Eigenschaft aber? Empathie. «Wir sehen keine Mimik und keine Gestik. Alles, was wir haben, ist die Stimme am anderen Ende der Leitung.»

Entscheide fällen in Notfällen, wie macht man das? Für gewisse Ereignisse gibt es Checklisten, etwa bei Einbrüchen. Doch Standardfälle seien selten, erklärt Beata. Erfahrung sei daher zentral. Darum arbeiten in der NEZ fast ausschliesslich Polizistinnen und Polizisten, die früher selber draussen im Einsatz waren.

Oft gilt es, Anrufende zu beruhigen, bevor ihnen Beata die wichtigsten Fragen stellen kann: Was? Wo? Wann? Wer? Dann die Entscheidung: Einsatz nötig? Oder reicht ein Ratschlag? Längst nicht alle Anrufe betreffen die Polizei. Auch bei Problemen mit dem Fernseher oder einem Marder auf dem Dach werde schon einmal die 117 gewählt. Ihr Tipp: «Bei einem unguten Bauchgefühl lieber einmal zu viel die Polizei anrufen als einmal zu wenig.» 

Auch nach vielen Jahren gehen Beata gewisse Fälle nahe – etwa bei häuslicher Gewalt oder Suiziddrohungen.

Nicht alle Einsätze sind schwer 

Auch nach vielen Jahren in der NEZ gehen Beata gewisse Fälle nahe – etwa bei häuslicher Gewalt oder Suiziddrohungen. Dann hilft ein Gespräch im Team oder das Beratungsangebot der Kapo. 

Doch nicht alle Einsätze sind schwer. Manchmal sorgen sie auch für Schmunzeln – etwa, als die Kolleginnen und Kollegen auf der Autobahn einen ausgebüxten Schwan einfangen mussten. Beata konnte das Geschehen auf den Kameras live mitverfolgen.

Wenn man den ganzen Tag entscheidet, wird man da nicht irgendwann entscheidungsmüde? «Stimmt schon», nickt Beata. «Ich bin manchmal froh, wenn die Menüauswahl im Restaurant nicht allzu gross ist.»