Da sich das Coronavirus weiter ausgebreitet hatte, mussten am 16. März 2020 Nicht-Lebensmittelgeschäfte, Restaurants, Bars, Freizeitbetriebe und Schulen ihre Türen schliessen. Schweizweit zogen Büroangestellte kurzerhand mit ihren mobilen Geräten ins Homeoffice. Für die meisten Mitarbeitenden des Kantons St.Gallen war das Arbeiten von zuhause aus Neuland. Umso mehr waren sie auf IT-Spezialistinnen und Spezialisten angewiesen. Und die leisteten ganze Arbeit.
Als Mitte März die Völkerwanderung ins Homeoffice begann, war der Dienst für Informatikplanung (DIP) im Finanzdepartement gefordert wie nie zuvor. Nur rund die Hälfte aller Mitarbeitenden war mit Notebooks oder Tablet-PCs ausgestattet. In Koordination mit den Informatikabteilungen der Departemente ermöglichte der DIP in erster Linie Personen aus der Risikogruppe und danach zahlreichen weiteren Mitarbeitenden, zuhause dieselben Anwendungen zu nutzen wie im Büro. Daniel Locher, Abteilungsleiter IT Services beim DIP, fand zusammen mit seinem Team in kürzester Zeit neue Wege, die dringend benötigten IT-Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Sogar ausgemusterte Laptops wurden wieder in Betrieb genommen. IT-Arbeitsplätze zu schaffen, sei eigentlich eine reguläre Arbeit, sagt Daniel Locher. Nur: Normalerweise hätten sie dazu mehrere Monate Zeit und nicht wenige Wochen.
Prioritäten ändern sich
Peter Müntener, Leiter Informationssicherheit im DIP, spürte diesen Zeitdruck ebenfalls. Als der Kantonale Führungsstab zu Beginn der Krise die Infoline aufbaute, war er an vorderster Front dabei. Er vertrat die Informatik im Führungsstab und stellte sicher, dass die nötigen Informatik- und Kommunikationsmittel rasch zur Verfügung standen. Peter Müntener merkte schnell: Die Prioritäten ändern sich in einer Krise. Alles musste schnell gehen, und gleichzeitig galt es, die Sicherheit den neuen Arbeitsformen anzupassen. Es sei wichtig, dass bei aller Flexibilität die Informationssicherheit oberste Priorität habe.
Karin Wittmer, stellvertretende Generalsekretärin und Departementsinformatikverantwortliche des Finanzdepartementes, plante, am 17. März nach Brasilien zu fliegen. Stattdessen rüstete sie Mitarbeitende mit Laptops aus, erstellte neue Webseiten und schrieb Anleitungen für Skype-Konferenzen oder Bildschirmanschlüsse im Homeoffice. Ihr Engagement half vielen Mitarbeitenden, zuhause mit ihren Laptops arbeiten zu können. Die langen Tage und zeitintensiven Aufgaben weckten in ihr das «Nerd-Fieber»: «Meine grösste Herausforderung während der Krise war es, am Abend den Computer auszuschalten», sagt sie. Trotz enormem Zeitdruck: Karin Wittmer freute sich über die Arbeit. Sie suche gerne pragmatische Lösungen und es sei umso schöner, wenn sie damit andere direkt unterstützen könne.
Ein unerwarteter und kräftiger Schub
Das Amt für Wirtschaft und Arbeit verwandelte sich während der Coronakrise in eine «Kurzarbeit-Fabrik». Die Gesuche gingen im Minutentakt ein. Olaf Sparka, Leiter Informatik im Generalsekretariat des Volkswirtschaftsdepartementes, stattete die Mitarbeitenden mit den nötigen mobilen Geräten aus. Dabei durfte die Datensicherheit und die Kompatibilität mit den IT-Lösungen des Bundes nicht ausser Acht gelassen werden. Der leidenschaftliche Informatiker nahm die Herausforderungen der Krise an. Olaf Sparka dachte auch über den Tellerrand des Departementes hinaus. Nachdem er gelesen hatte, dass die Mailänder Messe als Intensivtherapieplatz genutzt wurde, hatte er die Idee, die Olmahallen in der Krisenzeit zu nutzen. In der Krise sei alles sehr schnell gegangen, fasst Olaf Sparka zusammen. Die Digitalisierung habe in den letzten Jahren nur langsam Fahrt aufgenommen. «Mit Corona gab es dann plötzlich einen kräftigen, völlig unvorhergesehenen Schub», sagt er. (Mehr zu Olaf Sparka lesen Sie unten.)
Einen unerwarteten Schub erhielt auch Raouf Selmi, Verantwortlicher Social Media und Multimedia der Dienststelle Kommunikation der Staatskanzlei. Das Informationsbedürfnis der Medienschaffenden und der Bevölkerung nahm zu Beginn der Coronakrise stark zu. Doch die Regierung konnte aufgrund der Sicherheits- und Hygienevorschriften keine ordentlichen Medienkonferenzen durchführen. Raouf Selmi baute in der Krise eine fehlende Infrastruktur auf und verwandelte innerhalb weniger Tage den Pfalzkeller in ein Medienzentrum. Die Medienkonferenzen der Regierung übertrug er von dort aus live auf Facebook, Periscope, YouTube und MovingImage für Medienschaffende, Mitarbeitende und die Bevölkerung. Damit ermöglichte er eine Nähe zur Kantonsregierung, die in einer Krisensituation wichtig ist.
Raouf Selmis Arbeit während der ausserordentlichen Lage unterschied sich stark von seinen regulären Tätigkeiten. Normalerweise ist er für Social Media und Multimedia zuständig und filmt und produziert Videos. Die Medienorientierungen der Regierung wurden aber live übertragen. Das heisst, es ist keine Nachbearbeitung möglich. Parallel dazu musste er technisches Equipment beschaffen. Für die klassische Social-Media-Arbeit blieb kaum Zeit. Um die Infrastruktur im Pfalzkeller aufbauen zu können, las er viel auch nach Feierabend noch Anleitungen und Zusatzinformationen. Er arbeitete sich in neue Themen ein, testete die verschiedenen Komponenten der Live-Stream-Anlage und entwickelte Lösungen.
Verwaltungs-IT lernt aus der Krise
So herausfordernd die Zeit auch war, die Mitarbeitenden konnten sich aufeinander verlassen. Karin Wittmer lobt die erstklassige Zusammenarbeit mit ihren «Gspönli», Daniel Locher empfand die Zusammenarbeit mit den IT-Verantwortlichen aller Departemente als lehrreich und ausserordentlich gut. «Wir haben alle am selben Strick gezogen und das gegenseitige Verständnis war gross», sagt er. Auch Olaf Sparka und Daniel Locher betonen die tolle Zusammenarbeit mit ihren IT-Kolleginnen und -Kollegen. Die Verantwortlichen für IT und Multimedia sind sich in einem weiteren Punkt einig: Die Krise gab der Verwaltung viel Wissen und Erfahrungen mit.
Fünf Fragen an Olaf Sparka
Kann ein leidenschaftlicher Informatiker wie Sie in der Freizeit abschalten?
Abschalten muss ich nicht von der Technik. Die nutze ich mit Begeisterung auch zuhause. Nicht immer zur Freude meiner Frau, wenn sie schon wieder ein neues Gerät bedienen muss.
Ist IT Ihr Hobby oder «nur» ein Job?
In meinem Fall habe ich meine Berufung zum Beruf gemacht. Mein Motto: Alles ist besser mit einem Display. Aber IT ist in einem Punkt auch sehr speziell: Es ändert sich alles und dauernd. Das braucht die Bereitschaft, sich dauernd mit Neuem auseinanderzusetzten. Und mir macht gerade das immer wieder sehr viel Spass.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Mein neustes Hobby kennen schon einige Arbeitskolleginnen und Kollegen: Ich baue grosse Legobausätze zusammen. Alle Bausätze mit mehr als 1’500 Teilen finde ich interessant. Mein letztes Projekt war eine grosse Achterbahn mit 4’124 Teilen.
Wann entstehen bei Ihnen neue Ideen? Bei der Arbeit oder zuhause beim Zusammenbauen von Lego-Objekten?
Neue Ideen entstehen meist bei Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen. Ich sammle gerne Informationen und setze daraus dann neue Ideen zusammen.
Was sind Ihre Gedanken zu Risiken und Chancen der Digitalisierung?
Für mich überwiegen persönlich die Chancen bei Weitem. Die Digitalisierung bietet uns die Möglichkeit, mehr sinnstiftende Arbeiten und Aufgaben wahrzunehmen und langweilige Routine-Tätigkeiten in den Hintergrund zu drängen.
Ich finde es auch immer wieder faszinierend, dass ich für die meisten Probleme eine Lösung auf Videoplattformen wie YouTube finde. Ist mein Kühlschrank kaputt? Ich tippe es bei Google ein und weiss sofort, wo ich die Ersatzteile für mein Modell bekomme und wie ich diese einbaue. Fürs Haareschneiden mit dem Trimmer habe ich auch eine Videoanleitung ausprobiert. Es sieht aber leichter aus als es ist. Und 12 Millimeter sind dann doch sehr kurz.
Die grösste Gefahr oder Herausforderung sehe ich darin, dass wir alle Personen mit auf den Weg der Digitalisierung nehmen können, ohne diejenigen abzuhängen, die nicht digital affin oder begeistert sind.
Und, wie so oft, die Digitalisierung bietet leider auch sehr viel Potential für Missbrauch.