Dossierfest, kompromissbereit, umgänglich – ein «animal politique». So beschreiben Politiker aller Couleur Beni Würth. Nach neun Jahren als Volkswirtschafts- und Finanzdirektor zieht es den CVP-Vertreter in den Ständerat, in die nationale und damit auch in die internationale Politik. Würth hinterlässt gesunde Finanzen und eine vorbildliche Steuerreform. Seine letzten drei Monate im Regierungsamt waren indes auch für ihn ganz von der Coronakrise geprägt. Bis Ende Mai stand er als Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen laufend in Kontakt mit dem Bundesrat und stellte die Mitwirkung der Kantone sicher. Würth, der überzeugte Föderalist, beurteilt die Kooperation heute positiv: Sie habe gut funktioniert. Im Nachhinein, sagt er, hätten die Massnahmen aber noch föderaler gestaltet, noch stärker auf einzelne Landesteile ausgerichtet werden können.
Corona bescherte Würth zum Abschluss der neunjährigen Regierungstätigkeit Mehraufwand. Und führte zu einem Abschied auf Distanz. Er, der gesellschaftliche Anlässe schätzt und über «Festzeltkompetenz» verfügt, empfand den Wegfall emotionaler Verabschiedungen als «extrem schade».
Im Frühjahr 2011 hatte er den vorzeitig zurücktretenden Parteikollegen Josef Keller ersetzt und dessen Volkswirtschaftsdepartement übernommen, 2016 wechselte Würth ins Finanzdepartement. Zuvor hatte er auf der Karriereleiter Stufe um Stufe genommen: 1968 als eines von sieben Kindern in Mörschwil geboren – sein Vater Franz war 33 Jahre lang Gemeindepräsident –, wurde er zunächst CVP-Partei- und Fraktionssekretär, befasste sich als Mitarbeiter im Finanzdepartement mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen, wurde Kantonsrat und Fraktionspräsident, leitete von 2000 bis 2011 als Gemeinde-, dann als Stadtpräsident die Vereinigung von Rapperswil mit Jona.
Sämtliche Fraktionen zollen Würths Leistungen als Regierungsrat Respekt: als dossiersicherer Stratege, der Sache verpflichtet, bestrebt, parteiübergreifende Kompromisse zu schmieden. Er konnte es mit allen. Gerne wird kolportiert, wie er am 22. Oktober 2018 am Mittagessen der vorberatenden Kommission den St.Galler Steuerkompromiss skizzierte und den Fraktionen den Weg aus der verfahrenen Situation aufzeigte – auf der Rückseite eines Menüzettels, zu Geschnetzeltem. Er sprach vom «Highlight in 20 Jahren Kantonsrat».
Anderseits scheute Würth den Konflikt nicht, was vor allem seine Partei spürte: «In der CVP-Fraktion konnte er so richtig energisch werden», erzählt Fraktionschef Andreas Widmer. Als «gleichzeitig fordernd und unterstützend» erlebte ihn Flavio Büsser, der Generalsekretär im Finanzdepartement. Würths Motto – hart arbeiten, gut feiern – kulminierte jeweils zum Jahresende im Amtsleitertreffen, bei dem auch mal gemeinsam ein Bild gemalt oder bei einer Fahrt mit Schlittenhunden dem Regen getrotzt wurde. Beni Würth war nicht der Erste, der heimging.
Zu seinen Erfolgen gehören die positive Entwicklung des Staatshaushalts, die Sanierung der Pensionskasse des Staatspersonals, das neue Lohnsystem, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder das neue Jagdgesetz. Ebenso fuhr er Misserfolge ein, insbesondere den gescheiterten Innovationspark oder das Volks-Nein zur Expo 2027 in der Ostschweiz.
So wohl sich Beni Würth auf der politischen Bühne fühlt, so unaufdringlich ist sein Auftreten. Er ist keiner, der einen Raum mit seiner Präsenz beherrscht, keiner, der die Politik nutzt, um das eigene Ego in den Vordergrund zu stellen. Würth ist ein politischer Puppenspieler, der die Fäden mit sicherer Hand führt, die Figuren genau kennt, die Übersicht behält, vorausschaut, der weiss, wie das Spiel läuft. Er tut dies, zumindest nach aussen, gelassen und unaufgeregt.
Mit 50 Jahren sah er die Zeit für den nächsten persönlichen Schritt gekommen. Die Wahl von Karin Keller-Sutter in den Bundesrat öffnete ihm 2019 die Tür in den Ständerat. Gleichzeitig stand Keller-Sutter seinen eigenen Ambitionen für den Sprung in die Landesregierung im Weg: Weil er um die politische Konstellation wusste, verzichtete er auf eine Kandidatur; sein Herz hätte Ja gesagt, sein Kopf sagte Nein.
Beni Würth wäre dereinst gewiss ein prädestinierter Nachfolger Ueli Maurers als Herr über die Bundesfinanzen. Doch dazu müsste gar viel zusammenpassen: Maurer müsste CVP sein statt SVP, Keller-Sutter keine St.Gallerin. «Realistisch betrachtet hat sich das Thema erledigt», sagt er und plant lieber realitätsnah: Würth hat sich dem St.Galler Büro der «Swiss Legal asg.advocati» angeschlossen. Er wird Beratungsmandate wahrnehmen und in vier Verwaltungsräten sitzen; die Südostbahn wird er präsidieren. Hinzu kommt als einziges Verbandspräsidium der Vorsitz bei der Schweizerischen Produktevereinigung AOP-IGP, die traditionelle Spezialitäten mit starkem Bezug zur Ursprungsregion vereint. Würth wird damit Lobbyist der St.Galler Bratwurst.
Das Leben des verheirateten Vaters zweier Kinder verschlankt sich. Dank wöchentlicher Bike-Touren hat er nicht mehr die etwas vollere Postur wie im regierungsrätlichen Präsidialjahr 2015/16. Er dürfte wieder mehr Zeit finden, bei der Ü50-Seniorenmannschaft des FC Wagen in Rapperswil-Jona mitzukicken. Er wird wie bisher die Fasnacht voll auskosten. Und ab Ende 2021 wird ihn seine Politikerkarriere verstärkt nach Brüssel führen: Dann wird er Präsident der EFTA/EU-Delegation der Eidgenössischen Räte. Sein politisches Gewicht wird nicht abnehmen.