Ungebetene Pflanzen auf dem Vormarsch

Dominik Thiel, Leiter Amt für Natur, Jagd und Fischerei, Volkswirtschaftsdepartement

Ungebetene Pflanzen auf dem Vormarsch

Dominik Thiel, Leiter Amt für Natur, Jagd und Fischerei, Volkswirtschaftsdepartement
Seit Jahrzehnten befinden sich Naturschutzorganisationen, Gemeinden, Kantone und der Bund in einem beschwerlichen Kampf gegen unerwünschte Gäste – die Neophyten. Einige dieser exotischen invasiven Pflanzen vermehren sich sehr stark, überwuchern in rasantem Tempo grosse Landflächen und bedrängen die einheimische Artenvielfalt. Das Amt für Natur Jagd und Fischerei geht gegen die Neophyten vor und stärkt die heimischen Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren.

In der Idealvorstellung des Menschen befindet sich die Natur im Gleichgewicht. Dieses gerät jedoch aus den Fugen, wenn sich ein bisher nicht vorhandener Eindringling etabliert, sich auf Kosten der Alteingesessenen ausbreitet und sie zu verdrängen beginnt. Mit der Globalisierung werden täglich Millionen Organismen in andere Teile der Erde verfrachtet − bewusst und unbewusst. Bis jetzt haben sich in der Schweiz rund 500 bis 600 Arten von Neophyten, wortwörtlich übersetzt «neue Pflanzen», angesiedelt. Viele dieser gebietsfremden Pflanzen sind ohne negativen Folgen gut in unsere Umgebung integriert. Von den Hunderten Pflanzenarten, die dank dem Menschen den Weg aus der Ferne in die Schweiz gefunden haben, sind einige zu dominant. Die sogenannten «invasiven Neophyten» vermehren sich sehr stark, breiten sich aus und bringen ganze einheimische Lebensgemeinschaften aus dem Lot. Sie verdrängen die seltenen und bedrohten einheimischen Arten, können aber auch die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden, indem sie Allergien auslösen.

Invasive Problempflanzen

Die Macht der invasiven Neophyten muss aktiv begrenzt werden, möchte man die einheimische Artenvielfalt nicht noch weiter gefährden. Invasive Neobiota (Sammelbegriff für Pflanzen und Tiere, die nach der Entdeckung Amerikas durch den Menschen nach Europa eingebracht wurden) gehören heute weltweit zur grössten Bedrohung der Biodiversität. In der Schweiz gelten zurzeit rund 58 Neophyten als invasiv oder potenziell invasiv. Sie sind auf einer Schwarzen Liste und auf einer Beobachtungsliste (Watch List) aufgeführt. Für die verschiedenen öffentlichen und privaten Akteure stellen diese ein wichtiges Instrument bei der Bekämpfung der invasiven Neophyten dar. Für mehr als 15 dieser Problempflanzen ist gemäss Freisetzungsverordnung des Bundes jeglicher Umgang ausser der Bekämpfung verboten. Wer sie also verkauft, verschenkt, anpflanzt oder floristisch verwendet, macht sich strafbar.

Vereinter Kampf gegen Neophyten

Die invasiven Neophyten sind mittlerweile auch in der Ostschweiz so stark verbreitet, dass die Bekämpfung immer mehr Menschen beschäftigt und das Vorgehen besser koordiniert und konsequenter umgesetzt werden muss. Im Kanton St.Gallen ist das Amt für Natur, Jagd und Fischerei (ANJF) für die Unterstützung und Koordination von Massnahmen zur Erfassung und Bekämpfung von verbotenen gebietsfremden Organismen zuständig, wobei dies im Wald, in der Landwirtschaft und entlang von Gewässern in enger Zusammenarbeit mit dem Kantonsforstamt, dem Landwirtschaftsamt und dem Amt für Wasser und Energie erfolgt. Für die Bekämpfungsmassnahmen sind die Gemeinden verantwortlich.

Vielseitige Bekämpfungsarbeit

Im Jahr 2018 hat das ANJF die «Neophytenstrategie Kanton St.Gallen» erlassen. In diesem Rahmen finanziert das ANJF Bekämpfungsmassnahmen und Management-Konzepte von Dritten mit und gibt dazu jährlich 600’000 Franken aus. Eine kantonale «Begleitgruppe Neobiota» ist an der Neophytenstrategie beteiligt und übernimmt die anspruchsvolle Koordination. Mit einer optimierten Organisation und dem Priorisieren von Massnahmen auf einzelne eindämmbare Problemarten sowie auf sensible und besonders wertvolle Räume soll eine maximale Wirkung erzielt werden. So überprüft das ANJF beispielsweise die Verbreitung von Neophyten in geschützten Biotopen und leitet bei Bedarf Massnahmen ein. Dies sind – abhängig von der vorhandenen Art – beispielsweise die direkte Bekämpfung durch Ausreissen von Hand, ein Frühschnitt vor dem Verblühen oder grossflächige Ausbaggerungen. Zentral bei der Eindämmung der Neophyten ist zudem dafür zu sorgen, dass die weitere Verschleppung im Kanton durch saubere Entsorgung des Schnittguts oder Verkaufsverbote gebremst wird. Das ANJF setzt sich in diesem Zusammenhang dafür ein, dass das geltende Recht besser umgesetzt wird. Namentlich kontrolliert es die Einhaltung des Verkaufsverbots für bestimmte invasive Neophyten. Denn tatsächlich werden immer wieder invasive Neophyten in Gartencentern zum Verkauf angeboten. Die Bemühungen zahlen sich aus – die Neophytenstrategie ist mittlerweile im Kanton gut angelaufen. «Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass bei konsequenter und koordinierter Bekämpfung der invasiven Neophyten der Aufwand mit der Zeit abnimmt», so Franziska Perl, Leiterin der Biodiversitätsstrategie im ANJF.

Stärkung der einheimischen Pflanzenwelt

Die bedrohliche Macht der invasiven Pflanzen wird auch in der Öffentlichkeit immer stärker wahrgenommen. Generelle Fragen zu Neophyten aus der Bevölkerung sowie Massnahmen und Investitionen Dritter in die Neophytenbekämpfung nehmen stetig zu. «Steigende Ausgaben und verstärkte Arbeit in diesem Bereich sind ein Zeichen des Erfolgs», resümiert Franziska Perl die Entwicklung der letzten Jahre. Das Vorgehen in der Machteindämmung der exotischen, invasiven Pflanzen geht aktuell immer mehr in eine neue Richtung: Anstatt die Macht des Exotischen zu beschneiden, möchte man die Kraft des Einheimischen stärken. Es ist daher besonders wichtig, den Neophyten durch entsprechende Informationsvermittlung und Sensibilisierung der Bevölkerung die Ausbreitung zu erschweren. Denn invasive Arten machen auch vor Gartenzäunen nicht Halt und wildern aus.