Liebe geht durch den Magen

Hand-Werk mit Rebekka Grossmann, Teamleiterin Aussencafeterien, «förderraum»

Carole Zwahlen, Mitarbeiterin Kommunikation, Staatskanzlei

Hand Werk Hauptbild

06:50

Im Sicherheits- und Justizdepartement und im Gesundheitsdepartement am Oberen Graben in St. Gallen füllen sich langsam die Büros. Im 6. Stock geht Rebekka Grossmann schnellen Schrittes in der Küche der Cafeteria hin und her und macht sich bereit für ihre erste Tour des Tages. Sie packt Lebensmittel ein, schnappt sich ihre Jacke und Tasche und macht sich mit dem Transportgut auf in die Tiefgarage.

07:00

Rebekka Grossmann arbeitet seit sechs Jahren bei der Stiftung «förderraum» und ist die Teamleiterin der drei Aussencafeterien. Der «förderraum» betreibt seit 2012 vier Cafeterien der Kantonalen Verwaltung in der Stadt St. Gallen und unterstützt Arbeitssuchende im Rahmen von praktischen Kursen beim Ein- oder Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt.

Alles, was frisch ist, wird täglich vom Oberen Graben in die Aussencafeterias gebracht: Salat und Milchprodukte oder frische Küchentücher und Schürzen aus der Wäscherei des Hotel Dom. Geschickt lenkt Rebekka Grossmann den Transportwagen aus dem engen Parkhaus am Oberen Graben und durch die Einbahnstrassen
bis zum Bau- und Umweltdepartement an der Lämmlisbrunnenstrasse.

07:15

In der Cafeteria an der Lämmlisbrunnenstrasse ist es noch ruhig. Nur vereinzelt ertönt die Kaffeemaschine
oder es kauft jemand ein Bürli oder Bichermüesli. Rebekka Grossmann räumt die mitgebrachten Lebensmittel in den Kühler ein und unterhält sich gut gelaunt mit einer Angestellten.

08:00

Weiter geht es mit dem Transportwagen an die Davidstrasse, wo eine weitere Aussencafeteria ist. Um 8 Uhr ist hier schon deutlich mehr los als an den anderen Standorten. Als Teamleiterin der Aussencafeterien nutzt Rebekka Grossmann die morgendliche Tour dazu, sich mit ihren
Mitarbeitenden über deren Alltag und die Kursteilnehmenden zu unterhalten: Wer macht grosse Fortschritte? Welche Herausforderungen stehen an? Auch mit den
Kursteilnehmenden unterhält sie sich gern: «Wie waren Ihre Ferien?» oder «Ich gratuliere Ihnen zur Stelle, die Sie nächste Woche antreten!»

09:30

Als Rebekka Grossmann von ihrer Tour zurückkommt, riecht es im Treppenhaus bereits nach dem leckeren Mittagessen für den nächsten Tag: In der Produktionsküche am Oberen Graben werden täglich 150 bis 180 Menüs vorgekocht und gekühlt. Rebekka Grossmanns zweite Tour des Tages steht bevor: Sie bringt die zwei voll beladenen Rollwagen mit den gekühlten Menüs zu den beiden Aussenstandorten.

10:00

Fünfmal je Woche ein ausgewogenes Menü aufzutischen und dabei die Abwechslung zu halten, ist eine organisatorische Meisterleistung. «Wir können nicht so kreativ sein wie eine Sterneküche», sagt Rebekka Grossmann. Ausgewogenheit sei gefragt, damit auch die meisten etwas finden, was ihnen schmeckt. Das fixe Vegi- Menü sei zu ihren Anfangszeiten beim «förderraum» noch nicht so beliebt gewesen wie heute. In den Cafeterias spüre man die kulinarischen Trends. Es sei bemerkbar, dass der bewusste Umgang mit Nahrungsmitteln in den letzten Jahren zugenommen habe.

 

«Flexibilität ist bei uns extrem wichtig.»

Ein bewusster Umgang: Darauf legt der «förderraum» in allen Bereichen Wert. Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf haben in der «förderraum»-Küche die Gelegenheit, ihre Stärken zu entdecken. Die Küche sei der perfekte Ort für Menschen mit Beeinträchtigungen, findet Rebekka Grossmann. Es gebe sehr einfache, aber auch anspruchsvolle Arbeiten und auf jedem Level sei
die Möglichkeit für ein Erfolgserlebnis da. Wenn jemand während vier Stunden das Salatbuffet bereitstelle, bis sie oder er zufrieden ist, sei das völlig Ordnung. Dies sei der wichtigste Unterschied zur Gastronomie in der Privatwirtschaft, findet Rebekka Grossmann: «In der Gastronomie geht es um Schnelligkeit, Leistung und Mengen, bei uns steht der Selbstwert im Vordergrund.

10:30

Da der Koch der Cafeteria in der Lämmlisbrunnenstrasse in Teilzeit arbeitet, hilft Rebekka Grossmann heute dort in der Küche aus. Konzentriert legt sie sich einen Plan zurecht: Welche Pfanne brauche ich für welche Zutaten? Sind alle gekühlten Lebensmittel bereit? Wenn jemand ausfällt oder abwesend ist, müssen sich die Mitarbeitenden des «förderraum» in jeder Küche zurechtfinden können. Das Team ist stets gefordert. Meist kämen sie am Morgen zur Arbeit und liessen den Tag auf sich zukommen. Für Rebekka Grossmann gibt es keinen sinnvolleren Job. In früheren Anstellungen sei ihr der Alltagstrott nicht bekommen: Aufstehen, anspruchsvolle Arbeit, nach Hause kommen und am nächsten Tag dasselbe. Nun hat sie ihren Platz gefunden: «Wenn ich auch nur von jemandem ein Lächeln bekomme oder jemand den Kopf etwas höher hält
als am Vortag, weiss ich am Abend, was ich geleistet habe.»

11:30

Die Essensausgabe beginnt. Da heute der nationale Zukunftstag ist, werden mehr leere Mägen gefüllt als üblich. Auch das gehört dazu: «Flexibilität ist bei uns extrem wichtig», sagt Rebekka Grossmann.

14:00

Die Cafeterien in der kantonalen Verwaltung schliessen um 13 Uhr ihre Türen. Wenn alles aufgeräumt und abgewaschen ist, geht Rebekka Grossmann am frühen Nachmittag in den Feierabend. Ihre Arbeitszeiten findet Rebekka Grossmannn super. Es sei aber eine grosse Umstellung gewesen, als sie von der privaten Gastronomie hierher kam: «Anfangs wusste ich gar nicht, was ich mit diesen freien Abenden und Wochenenden alles anstellen soll.» Die Freizeit sei in ihrem Beruf sehr wichtig. Wer im sozialen Bereich arbeite, brauche einen gesunden Ausgleich, um alle Eindrücke und Schicksale verarbeiten zu können. Die Antwort darauf, was sie tut, um den Kopf frei zu bekommen, kommt schnell: «Möglichst viel Sport!»