Nach St. Gallen führten mich kleine, halbdurchsichtige Plastikröhrchen mit Schraubdeckel – sogenannte Passivsammler. Diese Röhrchen waren an verschiedenen Orten in und um Herisau installiert, um die Luftbelastung zu untersuchen. Ich hatte eine befristete Stelle beim Kanton Appenzell Ausserrhoden und brachte diese Röhrchen zur Analyse in regelmässigen Abständen ins Labor an der Blarerstrasse 2 in St. Gallen. Und von dort erhielt ich im Herbst 2009 einen Anruf, ob ich mich nicht auf eine demnächst frei werdende Stelle bewerben wolle. Damit begannen für mich vier sehr spannende Jahre – beruflich und weit darüber hinaus.
Ich hatte an der Universität Zürich Chemie studiert und mich auf Umweltchemie spezialisiert. Im Labor
des Amts für Umwelt und Energie übernahm ich einen spannenden Aufgabenmix. Ich untersuchte Proben mit zum Teil sehr komplexen Geräten, die wir selber auch in Schuss hielten. Ich fuhr gemeinsam mit meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen raus und nahm an den Flüssen und Bächen des Kantons Wasserproben. Wir analysierten aber auch das Abwasser aus Kläranlagen oder Industriebetrieben. Und ich rückte für den kantonalen Schadendienst aus, wenn irgendwo Gülle in einen Bach gelangt war oder Heizöl beim Ausliefern versehentlich in die Kanalisation gelangte. Alles zusammen ergab für mich eine tolle Mischung aus Arbeiten drinnen und draussen sowie aus praktischen und konzeptionellen Aufgaben.
Bis heute berührt es mich, wie herzlich ich in dieser für mich damals neuen Stadt aufgenommen wurde. Schnell durfte ich im und über das Labor hinaus sehr schöne Freundschaften schliessen. «Meine St. Gallerinnen und St. Galler» zeigten mir das umtriebige Kulturleben der Stadt, die feinsten Orte zum Essen und die schönsten Badeplätze in der Region. Gemeinsam mit Freunden lernte ich die Klettergebiete im Rheintal, dem nahen Vorarlberg und im Alpstein kennen. Und im Winter stiegen wir in Spitzkehren auf den Brisi oder den Wildhuser Schafberg. Kurz: St. Gallen wurde mir für gut vier Jahre ein echtes Zuhause.
So vielseitig meine Arbeit beim Amt für Umwelt auch war, so sehr schätzte ich die neu gewonnenen Freundschaften: Nach einigen Jahren wurde mir klar, dass ich beruflich noch etwas ganz Neues kennenlernen wollte. Ich begann die Ausbildung zur Journalistin und machte meine ersten Schreibversuche in der Ostschweiz. Dann führten mich verschiedene Praktika weg von St. Gallen.
Heute lebe ich in Basel, arbeite als Wissenschaftsjournalistin für das Schweizer Radio und als freie Autorin
für verschiedene Medien. Die Erfahrungen und das Know-how aus meiner Zeit in St. Gallen sind für mich
bis heute sehr wertvoll. Und ich durfte durch meine Arbeit viele schöne Ecken eines mir vorher unbekannten Kantons kennenlernen. Aber eines muss ich hier
gestehen: Ich habe es bis jetzt weder auf den Säntis noch auf den Hohen Kasten geschafft. Wenn das keine guten Gründe sind für einen nächsten, längst überfälligen Besuch in der Ostschweiz!