Liebe bei der Arbeit – die Tücken und die Regeln

Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei
Thomas Hary

Liebe bei der Arbeit – die Tücken und die Regeln

Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei
Thomas Hary

Der Kanton duldet Liebespaare auf der Verwaltung. Aber Achtung, es gibt Regeln und Grenzen.

Stellen Sie sich vor, Ihr Vorgesetzter hat eine Affäre mit Ihrer Arbeitskollegin, aus der dann eine heimliche
Beziehung entsteht. Und stellen Sie sich vor, dass es am Arbeitsplatz jetzt seltsam wird. Ihre Arbeitskollegin wird plötzlich bevorzugt – nur in ganz kleinen Dingen, aber trotzdem. Das Team registriert genau, was läuft, aber niemand wagt, es anzusprechen. Stattdessen wird getuschelt. Die Stimmung im Team verändert sich.


Solche Dinge geschehen nicht jeden Tag, aber sie geschehen. «Wo Menschen arbeiten, entsteht Nähe, und manchmal ist der Übergang von einer kollegialen Nähe zu einer zwischenmenschlichen Anziehung fliessend», sagt Michel Müglich, der neue Leiter des Personalamtes des Kantons St. Gallen. Er hat als langjähriger Personalchef bei der Raiffeisen einige solcher Fälle erlebt – zum Teil auch unschöne. Und solche unschönen Fälle gab es auch schon auf der Kantonsverwaltung. «Liebe am Arbeitsplatz muss nicht, aber kann tatsächlich zu Problemen führen», sagt Michel Müglich. Zum Beispiel so: Verliebte sind abgelenkt und unkonzentriert, ihre Leistung lässt nach, das Team reagiert irritiert und es kann zu arbeitsrechtlich heiklen Situationen kommen. Deshalb sei es ratsam, dass Firmen wie auch die Verwaltung Regeln für Situationen aufstellen, in denen aus einer Arbeits- eine Liebesbeziehung wird. 

Lieben ja, aber …


Was plausibel klingt, ist in der Umsetzung nicht ganz simpel. «Ein Arbeitgeber darf Beziehungen bei der Arbeit
nicht einfach verbieten.», sagt Barbara Fäh, Co-Leiterin des Rechtsdienstes im Finanzdepartement. «Sich verlieben ist schliesslich Privatsache.» Liebesbeziehungen werden in der Verwaltung also geduldet.
Nicht geduldet wird, wenn sie die Arbeitsleistung oder das Arbeitsklima tangieren oder potenziell zu Interessenkonflikten führen, in diesen Fällen darf – und muss – der Kanton intervenieren. Die Grundlage dafür bilden das kantonale Personalrecht und der Verhaltenskodex der Staatsverwaltung, der eine Orientierungshilfe bietet, was am Arbeitsplatz geht und was nicht. Aus den Grundsätzen des Verhaltenskodex lassen sich auch die Regeln zum Thema Liebe am Arbeitsplatz ableiten.
So heisst es etwa unter «Interessenkonflikte vermeiden» wörtlich: «Wir prüfen regelmässig, ob unsere Privatinteressen und Privatbeziehungen zu Interessenkonflikten in unserer amtlichen Funktion führen oder führen könnten. Wenn ja, informieren wir unsere Vorgesetzten.» Aufschlussreich ist auch das Stichwort «Professionalität»: Wir handeln fachlich und menschlich kompetent, wir vermeiden Willkür und Bevorzugung.


Entwickelt sich also eine zarte Liebe unter Mitarbeitenden, schwebt immer auch dieses Regelwerk über ihnen.
«Es geht darum, Fehlverhalten zu vermeiden. Zum Beispiel, dass eine vorgesetzte Person Prämien oder eine
Lohnerhöhung spricht – und zwar aus Liebesgründen und nicht, weil es fachlich begründet ist», sagt Michel Müglich.

«Ein Arbeitgeber darf Beziehungen bei der Arbeit nicht einfach verbieten.»

Von Versetzung bis Entlassung

In erster Linie setzt der Kanton auf Eigenverantwortung. «Wir bauen darauf, dass verliebte Mitarbeitende verantwortungsvoll handeln und von sich aus die Konsequenzen ziehen, sollte durch die Beziehung eine schwierige Situation entstehen», sagt Michel Müglich. Barbara Fäh ergänzt: Nicht selten suche in solchen Fällen eine der beiden Personen eine neue Stelle. Denn: Es kann auch für sie selber unangenehm sein, als Liebespaar wahrgenommen zu werden.
Bleibt die Frage, was passiert, wenn sich ein Paar uneinsichtig zeigt, wenn zum Beispiel Gespräche mit den Vorgesetzten die Situation nicht verbessern. «Dann können personalrechtliche Sanktionen zum Zug kommen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass eine der beiden Personen an eine andere Stelle versetzt wird», sagt Barbara Fäh. «Im schlimmsten Fall kann es auch zur Kündigung kommen.»

Vorgesetzte sind in der Pflicht

Eine besondere Rolle kommt bei Liebesdingen am Arbeitsplatz den Vorgesetzen zu, denn sie haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitenden. «Hat eine vorgesetzte Person den Eindruck, dass sich innerhalb des Teams zwei in einer Paarbeziehung gefunden haben, dann sollte sie dies ansprechen. Sie muss sich ein Bild machen können und mögliche Schwierigkeiten frühzeitig erkennen», sagt Barbara Fäh. Die Begründung: Paarbeziehungen innerhalb eines Teams können negative Dynamiken im Team auslösen und zu Spannungen führen. Die Fürsorgepflicht der vorgesetzten Person schreibe vor, das Wohl der Mitarbeitenden zu schützen, sagt Barbara Fäh: Sei das Arbeitsklima in einem Team also schlecht wegen eines «Techtelmechtels» oder Ähnlichem, dann müssten die Vorgesetzten handeln.