Ein Algorithmus namens Liebe

Sabrina Rohner, Mitarbeiterin Kommunikation, Bildungsdepartement

Ein Algorithmus namens Liebe

Sabrina Rohner, Mitarbeiterin Kommunikation, Bildungsdepartement

Künstliche Intelligenz kann vieles – inzwischen sogar Gefühle erkennen und simulieren. Lieben wir also bald virtuelle KI-Maschinen? Das könnte sein, sagt Guido Schuster, Leiter des Kompetenzzentrums für Künstliche Intelligenz an der OST.

Wie entsteht künstliche Liebe? Gefühle wie Liebe werden nicht programmiert, sondern es werden viele Beispiele gezeigt, wie die Liebe sein sollte. «Und dann ahmt die Künstliche Intelligenz (KI) dies nach. Maschinen lernen also wie Menschen: durch Nachahmung», sagt Guido Schuster, Leiter des Kompetenzzentrums für Künstliche Intelligenz an der Fachhochschule OST. Wenn KI sieht, wie liebevolle Menschen miteinander sprechen, dann wird sich die Künstliche Intelligenz nach genügend Trainingszyklen wie ein liebevoller Mensch ausdrücken.

Die Maschine Mensch bleibt unerreicht

Der Mensch sei aber immer noch die erstaunlichste Maschine, sagt Schuster. KI brauche viel mehr Beispiele
und Erfahrung, um zu lernen. Hat die KI nun gelernt zu lieben? Für einen Menschen, der sich mit dieser KI unterhält, scheint es so zu sein: «Menschen lieben heute schon alle möglichen Dinge wie ihr Handy, Motorrad oder die Designerhandtasche. Somit ist es für mich klar, dass Menschen auch Maschinen lieben können, die sich ihnen gegenüber als zuvorkommend und besorgt, also liebenswert, zeigen», so Guido Schuster im Gespräch mit dem «Pfalzbrief». Wird ein Roboter in Zukunft einen Menschen davon überzeugen können, dass er ihn oder sie liebt? Davon ist Schuster überzeugt – und auch davon, dass es einen Menschen sehr glücklich machen kann, von einer KI geliebt zu werden.

Roboter-Robbe für demente Menschen


Gerade ältere Menschen leiden oft unter Einsamkeit. Bei der Pflege von demenzkranken Patientinnen und Patienten kommt KI in Form eines weichen Plüschbündels zum Einsatz: Ein Roboter-Robbenbaby wird in der Therapie eingesetzt und erleichtere die Kommunikation, löse Spannungen und schenke Freude. KI könne hier liebevolle Beziehungen ersetzen, indem sie Gespräche führe, so Guido Schuster. KI kann mit Geschichten gefüttert werden, ja sogar mit einer Biografie, sodass eine Mutter im Altersheim das Gefühl hat, sie spreche mit ihrer Tochter. «Ältere Personen, die vereinsamt sind, leiden: Ich glaube, dass KI in dieser Welt sehr viel zu bieten hat», sagt Schuster. Aber ist es ethisch vertretbar, dass man Menschen im Glauben lässt, sie sprechen mit ihren Liebsten? Dass eine Maschine die Tochter imitiert, die im Altersheim anruft? Schuster betont, er sei kein Ethiker. «Man kann das auch transparent kommunizieren, dass nicht die Tochter selbst am Apparat ist. Ich sehe den Einsatz von KI pragmatisch: Wenn KI uns weniger einsam sein lässt, dann ist es eine gute Entwicklung.»

Noch keine Nachfrage für Liebe 4.0

«Bis jetzt kam noch niemand in die Fachhochschule, der oder die sich einen liebenden Roboter gewünscht hat», sagt Guido Schuster. Zumindest in der Ostschweiz gibt es also noch keine Nachfrage nach Maschinen als Liebespartner. Schuster selbst beschäftigt sich an der Fachhochschule mit anderen KI-Lösungen, für die durchaus Nachfrage besteht: Automatisierungen von statistischen Qualitätskontrollen oder Maschinenwartungen und überwachtem Lernen. Ihn würde es reizen, einen Chatbot zu entwickeln, der sich liebevoll um Menschen kümmert und so emotionale Intelligenz wiedergibt. Heutzutage gebe es KISysteme, die mithilfe von Kameras und Mikrofonen den Gemütszustand von Menschen gut einschätzen können. Oft würden diese Systeme schon wesentlich besser funktionieren als ein Durchschnittsmensch. «In der nahen Zukunft wird es KI-Lösungen geben, die Beziehungen mit Menschen aufbauen können und liebevoll um diese Person besorgt sind. Ich glaube, dass virtuelle KI-Maschinen einen ähnlichen Stellenwert in unserem Beziehungsnetz einnehmen werden wie Menschen. Echte Menschen, die wir jeden Tag treffen und lieben, bleiben aber an erster Stelle», sagt Guido Schuster über die liebende Zukunftsmusik.

Guido Schuster

Im Rahmen der IT-Bildungsoffensive baut Professor
Guido Schuster ein interdisziplinäres Zentrum für
künstliche Intelligenz auf. Das Ziel ist es, sowohl der
breiten Bevölkerung, den Ostschweizer Unternehmen, aber auch allen Studierenden der OST die Möglichkeiten und Grenzen von KI aufzuzeigen. Guido Schuster hat 1996 am Image and Video Processing Laboratory an der Northwestern University in Evanston, Illinois, in den USA promoviert und in Chicago für 3Com die
Internet Communication Business Unit gegründet. Seit 20 Jahren ist Guido Schuster zurück in der Schweiz, zuerst an der HSR und nun an der OST, wo er sich auf Digitale Signal- und Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz konzentriert