Einblicke

Ein Beitrag von Michael Niedermann. Er war bis Juni 2022 kantonaler Denkmalpfleger.

2016 B026 Reinigung Ff CF (1)
In vielen Berichten über eine Restaurierung oder Renovation lesen wir den Satz: «Das Haus … erstrahlt in neuem Glanz.» Das tönt schön, macht die Denkmalpflegenden aber eher stutzig: Noch lieber als den neuen Glanz möchten sie freilich den alten Glanz erleben.

Den alten Glanz erleben ganz einfach deshalb, weil die Authentizität in der Regel der wichtigste Teil des Zeugniswertes und der Glaubwürdigkeit eines Kulturobjektes ist. Man versteht dies am Beispiel eines wertvollen Gemäldes: Wird es von jemand anderen als der KünstlerIn selbst übermalt, ist es nahezu wertfrei.

Die sanfteste Methode für den Erhalt eines Kulturobjektes ist die Reinigung.

Kulturobjekte schützen und erhalten ist eine vielfältige Herausforderung. Geht es um den Erhalt, ist von Reinigung, Konservierung, Restaurierung, Rekonstruktion, Wiederherstellung und Ergänzung die Rede. Je nach Komplexität des Objektes wird schliesslich ein Mix aus den verschiedenen Vorgehensweisen gewählt.

Unter dem Schwerpunktthema «Frisch» möchten wir die sanfteste und hervorragendste Methode der Erhaltung eines Kulturobjektes vorstellen: die Reinigung von bemalten und gefassten Oberflächen. Dazu haben wir Claudio Fontana (von Fontana & Fontana AG, Rapperswil Jona) um eine Beschreibung der Königsdisziplin in der Objekt und Bauwerkserhaltung gebeten. Als prominentes Beispiel sei dabei die St.Galler Stiftskirche erwähnt. Seit der grossen Renovation von 1965 hat die innere Raumhülle und deren bemalte Oberflächen keine Erneuerung erfahren. Die jüngste Reinigung ist 2016 erfolgt und hat dem barocken Gesamtkunstwerk seine alte Frische wiedergegeben. Bei zahlreichen St.Galler Landkirchen wurde in derselben Art verfahren.

Jedes Objekt verlangt seine eigene Herangehensweise

 

Die Verschmutzungen in diesen Bauten entstehen durch vielfältige Einflüsse. Sie stören nicht nur das optische Erscheinungsbild, sondern sind oft auch Grundlage und Nährboden für eine substanzielle Schädigung von Oberfläche und Objekt. Deshalb ist für den langfristigen und nachhaltigen Objekterhalt die rechtzeitige und regelmässige Reinigung und damit die Pflege von Oberflächen wesentlich. Damit verlängern sich auch die Renovationszyklen, was wiederum ökologisch sinnvoll und ökonomisch attraktiv ist.

Fachkompetenz unabdingbar

Bemalte Oberflächen zu reinigen, verlangt neben Geduld und Durchhaltevermögen eine sehr hohe Fachkompetenz sowie die Fähigkeit zu situativem Handeln; denn jedes Objekt und jede Oberfläche hat seine spezifischen Eigenarten und Herausforderungen. Entsprechend müssen Vorgehensweisen und Reinigungsmethoden auf das jeweilige Oberflächenmaterial, dessen Zustand sowie auf die Art und Intensität der vorhandenen Verschmutzung abgestimmt werden.

Im Regelfall wischen die Fachleute in einem ersten Schritt den lose aufliegenden Oberflächenschmutz mit Feinhaarpinseln ab und entfernen ihn gleichzeitig mit speziellen Feinstaubsaugern vorsichtig.

In einem zweiten Schritt erfolgt dann eine händische Trockenreinigung mit speziellen Latexschwämmen oder durch Feinstrahlen mit Latexgranulat. Dieser Reinigungsschritt ist vergleichbar mit dem Wegradieren eines Bleistiftstriches auf einem Blatt Papier. Aber ebenso wie dort darf auch hier die Oberfläche durch die Reinigung nicht geschädigt werden.

Ein gelungenes Beispiel: die St.Galler Stiftskirche

Feuchtestabile Farbfassungen und Oberflächen werden in einem weiteren Schritt zusätzlich trocken-feucht oder feucht nachgereinigt. Bei gekonnter Ausführung können damit auch tieferliegende Verschmutzungen reduziert oder entfernt werden.

Als Königsdisziplin der Objekt- und Bauwerkserhaltung benötigen die Pflege und der Unterhalt bemalter und gefasster Oberflächen sowohl ein sensibles Wertgefühl der Auftrag gebenden als auch die Erfahrung und damit das Können der damit Beauftragten. Im Falle der gereinigten St.Galler Stiftskirche ist beides vollkommen gelungen.