08:00
Kein Arbeitstag gleicht dem andern bei Carol Klingler. Ein fixes «Ritual» hat sie aber: Sie geht jeden Morgen als Erstes ins Lager, um die Fenster zu öffnen. Denn wo schmutzige Kleidung gelagert wird, kann es auch mal riechen. «Gerade im Sommer trifft mich manchmal fast der Schlag, wenn ich ins Lager komme», schmunzelt sie. Dann beginnt das Tagwerk. Sie geht nach vorne in den «Laden» und überprüft, ob die Bestände ausreichend sind. Angefangen von Kleidern, Kampfanzügen und Sackmessern, hier in der Retablierungsstelle in St.Gallen können sich die Soldaten und Rekruten mit praktisch allem ausrüsten. «Unsere Kunden sollen bekommen, was sie brauchen», sagt Carol Klingler. «Kampfstiefel sind hoch im Kurs, Schlafsäcke gehören zu den Dingen, die nicht so gefragt sind.» Heute sieht sie, dass sie nur noch zwei Ausgangsvestons an Lager hat. Also bestellt sie welche. Die Bestellungen werden dann nach zwei bis drei Tagen aus dem Zentrallager Brenzikofen geliefert.
09:40
Es klingelt zum ersten Mal an der Türe. «Ich beginne bald meinen ersten WK und brauche dafür neue T-Shirts und Hosen. Ich habe wohl seit der RS etwas zugelegt», erklärt der junge Mann. Carol Klingler nickt: «Dafür sind wir ja da.» Zwischen den Regalen rüstet sie die neuen Grössen zusammen. Eine kurze Anprobe – alles passt. «Als gelernte Schneiderin erkenne ich schnell, welche Grösse die Armeeangehörigen brauchen.»
10:30
Später hat Carol Klingler Zeit, im Lager aufzuräumen. Sie legt die gebrauchten Kleidungsstücke ordentlich zusammen und packt sie in Kisten. «Da bei uns die Kundenbetreuung manchmal etwas länger dauert als im Detailhandel, ist man wirklich froh um solche ruhige Minuten.» Gerade heute ist das wichtig, denn am Nachmittag kommt ein Lastwagen, um die gebrauchten Sachen abzuholen. Dieser bringt sie in die Textilcentren der Armee, wo sie gewaschen und bei Bedarf repariert werden.

12:15
Nachdem auch die letzte Kiste gefüllt ist, kann Carol Klingler in die Mittagspause. In der Regel verbringt sie den Mittag im Pausenraum der Retablierungsstelle. «Ab und zu geniesse ich es aber auch, auswärts essen zu gehen. So komme ich auch mal tagsüber nach draussen», sagt sie.

«Ich mag es, wenn es ordentlich ist und nicht zu viele Sachen herumstehen.»
13:45
«Vor dem Einrücken in die RS können die Rekruten bereits ihre Kampfstiefel abholen», erklärt Carol Klingler. Entsprechend steigt die Nachfrage kurz vor dem RS-Start. Auch an diesem Tag will ein Kunde ein neues Paar. Kompetent beantwortet Carol Klingler seine Fragen. Ihr Tipp: Es lohne sich sehr, die neuen Kampfstiefel gut einzulaufen. Das brauche zwar seine Zeit, aber würden die Stiefel gut und lange genug getragen, gehörten sie zu den bequemsten Schuhen, die man sich vorstellen kann.
Kaum ist der Kunde gegangen, fährt der Lastwagen vor, um die gebrauchten Sachen zu holen. Solche Transporte mit rund drei Tonnen Material stehen alle sechs bis acht Wochen an. Carol Klingler freut sich, dass der Lagerraum nun wieder leerer ist. «Ich mag es, wenn es ordentlich ist und nicht zu viele Sachen rumstehen. Auch privat bin ich ein ordentlicher Mensch.»
16:00
Der nächste Kunde kommt. Ein Blick und Carol Klingler weiss: «Dieser junge Herr hat seine Dienstpflicht erledigt und bringt seine Ausrüstung zurück.» Die Waffe hat der Mann bereits unten im Parterre (Waffenwerkstatt) abgegeben. Bei Carol Klingler folgt der Rest. Auf einer Liste ist akribisch festgehalten, was der Mann abgeben muss. Carol Klingler kontrolliert es genau. «Das muss sein», sagt sie. Falls etwas fehlt, muss der Soldat die Kosten dafür übernehmen.
«Dieser Herr war nicht der Organisierteste, das verlängert das Prozedere», sagt sie später. Gerade wenn wie diese Betreuung einer Kundin oder eines Kunden länger geht, ist sie froh um ihre beiden Arbeitskolleginnen und -kollegen. So wie heute. Noch als Carol Klingler mitten in der Rücknahme ist, steht der nächste Kunde da. Wäre sie allein, gäbe es bei durchschnittlich 16 Kunden täglich schnell Wartezeiten.
Gedrängte Arbeitstage wie heute seien keine Ausnahme. Dennoch würde Carol Klingler keinen anderen Job machen wollen: «Ich mag den Kundenkontakt und die Freiheit, die ich hier habe, viel zu sehr.»
