20 Jahre harte Arbeit

Die neue Ost

Text: Urs-Peter Zwingli, freischaffender Journalist

20 Jahre harte Arbeit

Die neue Ost

Text: Urs-Peter Zwingli, freischaffender Journalist

Für den Zusammenschluss der Fachhochschulen in St.Gallen, Buchs und Rapperswil zur OST brauchte es fast zwei Jahrzehnte Überzeugungsarbeit. Seit 2002 gab es Bestrebungen, eine Fachhochschule zu schaffen, welche die Standorte St.Gallen, Buchs, Rapperswil und Chur organisatorisch vereint. Fast 20 Jahre später, im September 2020, hat nun die neu geschaffene OST – Ostschweizer Fachhochschule ihren Betrieb aufgenommen, dies allerdings ohne Chur. Dass die Bündner Regierung 2014 beschloss, den Alleingang zu wagen, verdeutlicht den schwierigen Weg zur OST: Bei deren Aufbau mussten die Interessen von sechs Trägerkantonen (St. Gallen, beide Appenzell, Thurgau, Schwyz, Glarus) sowie dem Fürstentum Liechtenstein vereint werden.

Der St.Galler Bildungschef Stefan Kölliker sagt im Rückblick: «Die grosse Herausforderung war, die anderen Kantone davon zu überzeugen, welche Vorteile ihnen eine Beteiligung an der OST bringt.» Denn jeder Kanton zahlt ohnehin für alle Studierende, die sich an der OST einschreiben, einen vertraglich festgelegten Beitrag an die Fachhochschu­le. «Die starke Vernetzung der OST mit der Wirtschaft sowie die Möglichkeit, einen guten Zugang zu Fachkräften zu haben, waren wohl die überzeugenden Argumente», sagt Kölliker. Diese Fachkräfte würden von der Fachhochschule ausgebildet. Zudem profitierten Ostschweizer Unternehmen von Resultaten aus der Forschung sowie von Praxisprojekten, bei denen mit Studierenden aktuelle Probleme bearbeitet werden.

Die grosse Herausforderung war, die anderen Kantone davon zu überzeugen, welche Vorteile ihnen eine Beteiligung an der OST bringt.

Aus Misstrauen wurde Erfolg

Tatsächlich leiste die OST in Relation zur Anzahl Studierenden schweizweit am meisten anwendungsorientierte Forschung, sagt Rolf Bereuter, Leiter des Amtes für Hochschulen. Auch er erinnert sich daran, dass der Start in die Projektarbeit nach Graubündens Austritt 2014 schwierig war: «Die ersten Sitzungen der Bildungsdirektorin und Bildungsdirektoren der sieben Träger waren eher von Skepsis und Argwohn geprägt. Doch mit der Zeit konnte die Projektarbeit überzeugen. Es ergab sich eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die letztlich erfolgreich war», sagt Bereuter. Er freue sich nun darauf, dass die Ostschweizer Fachhochschule mit ihrer neuen Grösse «sichtbarer» werde – und dass die drei Standorte ihre Stärken in einer gemeinsamen Strategie bündeln.

Dass seit den ersten Ideen 2002 zum Zusammenschluss ab 2014 endlich Fortschritte gemacht wurden, hat auch mit steigendem Druck auf die Ostschweizer Bildungslandschaft zu tun. Einerseits hat der Bund das Ziel von grösseren Zusammenschlüssen statt kleinen Fachhochschulen gesetzlich verankert und für diese Umstrukturierungen eine Frist bis 2022 gesetzt. Andererseits hatte die FHO Fachhochschule Ostschweiz – ein Verbund, in dem damals Buchs, Rapperswil und St. Gallen sowie die HTW Chur als eigenständige Organisationen zusammengeschlossen waren – im umkämpften Schweizer Bildungsmarkt mit ihren kleinen Strukturen Mühe. Die Mitbewerber hatten sich längst zu grösseren Einheiten zusammengeschlossen und waren so auch finanziell besser aufgestellt. «Die Studierendenzahlen sind innerhalb der Fachhochschule Ostschweiz auch als Folge davon in den letzten Jahren nur leicht gewachsen, in anderen Fachhochschulen der Schweiz jedoch sehr stark», sagt Kölliker. Mit den einheitlichen OST-Strukturen hofft der Bildungschef, in fünf bis sieben Jahren von heute 3700 Studierenden – davon sind 36 Prozent Frauen – auf 5000 zu wachsen. Dazu beitragen soll unter anderem ein erweitertes Studienangebot in den insgesamt sechs Departementen der Hochschule.

Streitfrage: Rapperswil oder St. Gallen? Ein Meilenstein auf dem langen Weg zur OST war der Februar 2019: Damals verabschiedeten die Trägerkantone ein Konkordat als Gründungserlass für die OST. Im Juni desselben Jahres genehmigte der Kantonsrat ohne Gegenstimme den Beitritt des Kantons St. Gallen zum Konkordat. Ganz ohne Irritationen lief die Parlamentsarbeit nicht ab: Dass das OST-Rektorat heute in Rapperswil stationiert ist, sorgte für regionalpolitische Diskussionen. Doch bereits im November stützte das St. Galler Stimmvolk die Strategie der Regierung und sagte mit 82 Prozent Ja zur Gründung der OST.