Die Wärme im Inneren des Erdballs lässt sich in unserem Lebensumfeld kaum unmittelbarer erleben als beim Bad in einer Thermalquelle. Das liessen sich schon unsere Ahnen vor Hunderten von Jahren nicht nehmen. Waren es früher allerdings vor allem therapeutische und hygienische Gründe, so sind es heute mehr Sport und Wellness, welche die Menschen zum Bade verleiten. Auch im Gebiet des Kantons St.Gallen können wir auf eine reiche Bäderkultur zurückschauen.
Die baulichen Zeugen dieser Kultur reichen vom klösterlich anmutenden Alten Bad Pfäfers (Thermalquellen zur Heilung) über das Volksbad St.Gallen (Volksgesundheit und -hygiene) und die zurückhaltend introvertierten Badehütten (St.Gallen-Dreiweihern, Rorschach, Rapperswil) bis hin zu den zahlreichen und offenen Badeanstalten des sommerlichen Vergnügens sowie den modernen Lifestyle-, Wellness- und Fitnesseinrichtungen.
Ein Badeort wird geboren
Die Nutzung der Tamina-Quellen im St.Galler Oberland über die Jahrhunderte hinweg zeigt den gesellschaftlichen Wandel in der Badekultur exemplarisch auf: Im 13. Jahrhundert wurde tief in der Taminaschlucht von einem Jäger des Klosters Pfäfers eine heisse Quelle entdeckt. Erst über hundert Jahre später ist eine Verwendung als Heilquelle durch das Kloster verbürgt.
In der frühesten Phase der Quellnutzung wurden die Heilungsuchenden mit Körben in die Schlucht abgeseilt und dort gebadet. Bereits unter diesen Bedingungen entwickelte sich ein reger Betrieb, welcher eine bedeutende Einnahmequelle des Klosters wurde. Um 1630 ermöglichte ein barocker Neubau vor der Schlucht neben der Badekur auch einen gesellschaftlich angemessenen Aufenthalt in einer einfachen, gastlichen Atmosphäre. Einzelbäder, Gemeinschafts-Badestuben und eine Trinkhalle gehörten zur Erstausstattung dieses stattlichen Hauses. Noch immer stand dabei nicht das Vergnügen, sondern die Heilung im Vordergrund.
Dank heissem Wasser zum Luxus
Zur Erhöhung des allgemeinen Komforts und zur Verbesserung der Erreichbarkeit wurde später die Badekultur nach (Bad) Ragaz verlegt, wo die Komponenten der luxuriösen Beherbergung und der hochkarätigen Gastronomie immer mehr in den Vordergrund gerückt sind. Es entstand unter grossem Engagement des Architekten Bernhard Simon (1816–1900) eine mondäne Kurbadanlage und gipfelte 1869 im Bau des Luxushotels Quellenhof. Simon hatte zuvor in St.Petersburg und St.Gallen bedeutende Bauten erstellt, amtierte als Verwaltungsrat für die Bahnstrecke Rorschach–St.Gallen–Winterthur und war später auch für die Trinkhalle (Büvetta) Tarasp im Unterengadin verantwortlich.
Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde von der heissen Quelle in der Taminaschlucht wieder Wasser zu Heilzwecken abgezweigt und in die Klinik Valens hochgepumpt. Der überaus grösste Teil des heissen Quellwassers wird heute in Druckleitungen durch das ganze Tal bis zu den Tamina Thermen im Resort Bad Ragaz geleitet.