Damit St.Gallen wählt

Thomas De Rocchi und sein Team sind in einem Wahljahr besonders gefordert.

Text: Lena Müller, Kommunikation Staatskanzlei / Foto: Thomas Hary

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Grau und unscheinbar steht sie da im ersten Stock des Regierungsgebäudes im Büro des Dienstes für politische Rechte, die alte Wahlurne. Und doch symbolisiert sie einen wichtigen Eckpfeiler der Schweiz: die direkte Demokratie. Ob die Urne noch in Gebrauch ist? Thomas De Rocchi lacht und schüttelt den Kopf. «Die findet schon lange keine Verwendung mehr. Aber wenn Kinder im Haus sind, freuen sie sich, dass sie Couverts einwerfen dürfen», erzählt der Leiter des Dienstes für politische Rechte.

Kaum jemand geht noch zur Urne

Bei den nationalen Wahlen am 22. Oktober werden voraussichtlich weniger als drei Prozent der Wahlzettel in einer solchen Urne landen. Die allermeisten Wählenden geben ihre Stimme mittlerweile brieflich ab. Damit alles reibungslos klappt, leisten Thomas De Rocchi und sein Team seit über einem Jahr Vorarbeit. Schlaflose
Nächte bereitet ihm der Wahltag nicht: «Natürlich kann immer etwas schiefgehen, aber für uns ist die intensivste Zeit dann schon vorbei.» Diese ist in jenen Wochen, in welchen die Wahlvorschläge der Parteien überprüft werden müssen. «Hier gibt es harte Fristen einzuhalten und wenn wir bei Rückfragen niemanden erreichen, wird es schon einmal stressig», erzählt Thomas De Rocchi. 

Die Arbeiten für den gesamten Wahlzyklus – nach den eidgenössischen Erneuerungswahlen finden 2024 auch noch die kantonalen und die kommunalen statt – dauern für den Dienst für politische Rechte etwa zwei Jahre. Den Startschuss erteilt die Regierung jeweils mit dem Wahlkalender, in dem sie Termine und Fristen
festlegt. Ab dann heisst es, Checklisten mit Hunderten Punkten abarbeiten: koordinieren, kommunizieren und schulen, damit am Tag X alle wissen, was zu tun ist. 

Es ist ein gutes Zeichen, dass Wählen in der Schweiz etwas so Alltägliches ist.

Thomas De Rocchi mag es, nahe am politischen Geschehen zu sein. Aktiv in die Politik zu gehen, war für ihn jedoch nie ein Thema: «Mich interessiert mehr der Prozess, der dahintersteckt.» Deswegen hat er sich nach dem Gymnasium auch für ein Studium der Politikwissenschaft entschieden. Danach lehrte und forschte er an der Uni Zürich und arbeitete beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). In dieser Zeit stand er auch als Wahlbeobachter im Einsatz bei den ersten freien Wahlen in Kirgistan – ein prägendes Erlebnis: «Es hat mich tief beeindruckt, wie viel es den Leuten bedeutet hat, ihre Stimme abzugeben. Sie kamen aus den entlegensten Orten in Feiertagstracht auf Pferden angeritten und es herrschte richtige Volksfeststimmung.»

«Wählerinnen und Wähler vertrauen uns»

Im Vergleich zum Ausland fällt Thomas De Rocchi vor allem auf, wie gross in der Schweiz das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden und Institutionen ist: «In vielen Ländern wäre die Briefwahl undenkbar. Weil die Leute davon ausgehen, dass ihr Brief sowieso nie am richtigen Ort ankommt.» Die Schweiz habe in diesem Bereich viel investiert und es sei wichtig, alles zu tun, um dieses Vertrauen zu erhalten. Dass er und sein Team mit ihrer Arbeit dazu beitragen können, ist für Thomas De Rocchi eine der schönsten Seiten seines Jobs.

Zeit für Digitalisierung

Sind alle Wahlen durch, ändert sich auch Thomas De Rocchis Arbeitsalltag. Nach dem eng getakteten Wahlzyklus hat er zwei Jahre Zeit, Projekte voranzutreiben. Der letzte grosse Lupf war die Einführung des neuen Ergebnisermittlungssystems, mit dem die Wahl- oder Abstimmungsresultate aus den einzelnen Gemeinden auf Kantonsebene zusammengetragen werden. Die nächste Projektphase steht im Zeichen des E-Collectings, des digitalen Unterschriftensammelns für Volksinitiativen oder Referendumsbegehren. Ob Wahlzyklus oder Projektphase, eine Präferenz hat Thomas De Rocchi nicht: «Es ist genau diese Abwechslung, die ich mag.»

Er selbst wählt übrigens fast immer brieflich. Erst einmal in seinem Leben hat er sein Stimmcouvert in eine Urne geworfen – und war ein bisschen enttäuscht. Von der feierlichen Stimmung wie in Kirgistan war im nüchternen Wahllokal nichts zu spüren. Thomas De Rocchi wertet das aber positiv: «Es ist ja ein gutes Zeichen, dass Wählen in der Schweiz etwas so Alltägliches ist.»