Wir und die Querulanten

Sie stellen sich quer, tauchen unvermittelt am Empfang auf oder drohen unverhohlen, zuweilen massiv: Querulanten können den Mitarbeitenden der Verwaltung die Arbeit ganz schön schwer machen. Warum machen sie das? Was ist ihr Psychogramm?

Lena Müller, Kommunikation Staatskanzlei

Wir und die Querulanten

Sie stellen sich quer, tauchen unvermittelt am Empfang auf oder drohen unverhohlen, zuweilen massiv: Querulanten können den Mitarbeitenden der Verwaltung die Arbeit ganz schön schwer machen. Warum machen sie das? Was ist ihr Psychogramm?

Lena Müller, Kommunikation Staatskanzlei

Von Pseudo zu einfach bis volles Risiko: eine Typologie

Die Pseudo-Querulanten
Der Name sagt es: «Pseudo-Querulanten» sind nicht per se querulatorische Menschen. Es sind «normale» Bürgerinnen und Bürger, die unverschuldet in eine Situation geraten, in der sie sich ungerecht behandelt fühlen – etwa bei einem aus ihrer Sicht schwer nachvollziehbaren Entscheid der Behörden. Sie fangen an, sich immer mehr zu wehren, machen Einsprachen, ziehen Entscheide weiter. Grundsätzlich sind sie aber an einer Lösung orientiert, und der Auslöser für ihr Verhalten ist meist nachvollziehbar.

Die einfachen Querulanten
Bei den sogenannt «einfachen Querulanten» kippt das Gleichgewicht zwischen Auslöser/Situation und Verhalten. Sie wehren sich unverhältnismässig stark gegen alles, was von den Behörden kommt, der Kampf dagegen wird zum Lebensmittelpunkt. Bei diesen Menschen ist das querulatorische Verhalten in der Persönlichkeit verankert. Die «Pseudo-Querulanten» und die «einfachen Querulanten» machen den grössten Teil der querulatorischen Personen aus. Sie sind für die Behörden mühsam, ihre Gewaltbereitschaft ist aber gering.

Die Risiko-Querulanten
Tritt die querulatorische Persönlichkeit in Kombination mit weiteren persönlichen Risikofaktoren auf, entstehen «Risiko-Querulanten». Zusätzliche Risikofaktoren können zum Beispiel psychische Störungen, eine hohe Gewaltbereitschaft oder eine Affinität zu Waffen sein. Bei diesen querulatorischen Menschen besteht die Gefahr, dass sie zu Gewalttätern werden. Eine Gefährlichkeitseinschätzung und das permanente Risikomanagement durch die Polizei sind erforderlich.

Quelle: Psychiatrisch-psychologischer Dienst ZH/Kapo SG

«Einmal pro Woche ist die Polizei dabei»

Tierschutzkontrolleure kommen oft in Kontakt mit Querulanten. Drei Fragen dazu an Thomas Christen, Leiter des Tierschutzes beim AVSV.

Was erlebt ihr im Umgang mit querulatorischen Personen?
Wir sehen immer öfter, dass  Entscheidungen des Amtes nicht respektiert werden. Jede Kleinigkeit führt zu Rekursen, oft werden Anwälte beigezogen. Kleine Mängel führen dann zu riesigen Papierkriegen. Es kommt auch vor, dass aufgebrachte Personen bei uns am Schalter auftauchen. Und häufig erleben wir schwierige Situationen bei Kontrollen in Tierhaltungen.

Warum sind gerade die Kontrollen so kritisch?
Tierschutzkontrollen finden unangemeldet und meist bei den Leuten zu Hause statt. Aus Sicherheitsgründen sind wir oft zu zweit unterwegs. Das ist unangenehm für die kontrollierte Person und führt im ersten Moment oft zu abwehrenden Reaktionen. Meine Mitarbeitenden 

können solche Situationen meist schnell beruhigen. Aber es gibt eben auch diejenigen Leute, bei denen das nicht funktioniert. Wenn wir wissen, dass es heikel werden könnte, begleitet uns die Polizei. Das ist rund einmal pro Woche.bei denen das nicht funktioniert. Wenn wir wissen, dass es heikel werden könnte, begleitet uns die Polizei. Das ist rund einmal pro Woche.

Wie stark belastet das deine Mitarbeitenden?
Zeitweise nagt es sicher. Aber da sie zu zweit unterwegs sind, können sie negative Erlebnisse nachbesprechen und Lehren daraus ziehen. Manchmal geht es auch darum, sich zu bekräftigen, dass man alles richtig gemacht hat und die kontrollierte Person einfach überreagiert hat.

Notiert: Lena Müller 

Querulanten? – 5 Tipps für den Umgang

Kommuniziere auf Augenhöhe: Redest du mit jemandem «von oben herab», erzeugt das ein Machtgefälle. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären. Wichtige Entscheide sollten mündlich mitgeteilt werden. Im direkten Kontakt kannst du abschätzen, ob als Reaktion eine (Selbst-)Gefährdung besteht. Fasse dich kurz: Lange Diskussionen

Fasse dich kurz: Lange Diskussionen führen nicht zum Ziel. Bleibe im Gespräch bei den wesentlichen Punkten. Halte den Schriftverkehr möglichst kurz.

Keine Sonderbehandlung: Mühsames Verhalten darf sich nicht lohnen. Halte dich an die üblichen Abläufe und wende bei Querulanten konsequent die gleichen Massstäbe an wie bei anderen Personen.

Ziehe klare Grenzen: Keine Toleranz gegenüber Drohungen und Beleidigungen! In
schwerwiegenden Fällen sollte eine Strafanzeige eingereicht werden.

Rede darüber: Nimm deine negativen Gefühle wie Angst oder Frust ernst und sprich mit deinen Vorgesetzten oder in deinem Team darüber. So könnt ihr euch gegenseitig unterstützen und minimiert das Risiko, auf Dauer auszubrennen.

«Eine Drohung macht etwas mit einem»

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kundenkontakt hatten schon mit Querulanten zu tun. Wie verhält man sich am besten? Wichtig sei, klare Grenzen zu setzen, sagt Manuel Niederhäuser vom Bedrohungs- und Risikomanagement der Kapo SG.

Querulanten – was sind das für Menschen?
Am Anfang stehen oft Leute wie du und ich. Sie kommen unverschuldet in eine Situation, die Ohnmacht auslöst, zum Beispiel durch einen Entscheid der Behörden, der aus ihrer Sicht schwer nachvollziehbar ist. Und dann beginnen sie sich zu wehren. Diese sogenannten «Pseudo-Querulanten» sind im Unterschied zu den «echten» Querulanten nicht per se querulatorisch, ein äusseres Ereignis bringt sie dazu, sich so zu verhalten. Darauf haben auch wir als Behörden einen Einfluss.

Inwiefern?
Diese Art von Querulanten kann man sich regelrecht «heranzüchten». Wenn wir Menschen von oben  herab behandeln und in unverständlichem Beamtendeutsch kommunizieren, erzeugen wir ein Machtgefälle und somit ein Gefühl der Ohnmacht. Wichtig ist also, mit den Leuten auf Augenhöhe zu reden und Sachverhalte verständlich zu erklären. Wir empfehlen auch, Hiobsbotschaften immer mündlich zu begleiten und nicht einfach einen eingeschriebenen Brief zu schicken.

Das können ziemlich unangenehme Gespräche für die Mitarbeitenden sein.
Sicher, dafür braucht es eine gewisse  Sozialkompetenz. Wichtig ist, trotzdem inhaltlich konsequent zu bleiben und Grenzen zu setzen. Querulatorisches Verhalten darf sich nicht lohnen. Gerade die «echten» Querulanten, bei denen das querulatorische Handeln in der Persönlichkeit verankert ist, fühlen sich dann bestätigt und machen immer weiter.

Was können Mitarbeitende tun, wenn sie sich im Umgang mit einem Querulanten nicht mehr wohl fühlen oder es gar zu Drohungen kommt?
Wichtig ist, solche Gefühle ernst zu nehmen, sie im Team anzusprechen und sich gegenseitig zu unterstützen. Wenn man persönlich bedroht wird, macht das etwas mit einem. Es nützt nichts, wenn ein Chef seiner Mitarbeiterin sagt: «Du musst keine Angst haben, ich wurde auch schon mal bedroht.» Erstens kann man die Situationen nie vergleichen und zweitens hat jeder sein eigenes Sicherheitsempfinden. Wenn jemand wirklich ein ungutes Gefühl hat, steht das Bedrohungs- und Risikomanagement als Anlaufstelle zur Verfügung.

Du hast ein ungutes Gefühl?
Fühlst du dich im Umgang mit jemandem bedroht, dann wende dich an das Bedrohungs- und Risikomanagement der Kantonspolizei St. Gallen (BRM). Die Fachleute schätzen die Gefährlichkeit der Situation ein und beraten dich, ob und welche neue oder weiterführenden Massnahmen nötig sind. Wenn du Termine mit querulatorischen Personen hast, kannst du ebenfalls die Polizei beiziehen.

brm@kapo.sg.ch

Was macht ihr in so einem Fall?
Unsere Aufgabe ist, einzuschätzen, ob es sich um einen «Risiko-Querulanten» mit tatsächlichem Gewaltpotenzial handelt. Wir klären ab, ob die Person schon einmal aufgefallen ist und vielleicht sogar schon Gewalt ausgeübt hat, ob Probleme mit Suchtmitteln bestehen und ob sie eine Waffe besitzt. Damit zeigen wir betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen und sie nicht alleine gelassen werden. Das gibt ihnen Sicherheit zurück.

Leitet ihr auch weitere Schritte ein?
Wenn ein Querulant ernste Probleme macht, führt nichts an einer Strafanzeige vorbei. Diese reicht entweder das Amt und/oder die bedrohte Person ein und wir stehen beratend zur Seite. Wir haben auch viele Anfragen, bei denen wir zwar keine unmittelbare Gefahr sehen, aber finden, dass ein solches Verhalten nicht tolerierbar ist. Dann empfehlen wir den Ämtern, der querulatorischen Person mit einem Grenzziehungsschreiben die roten Linien und die Spielregeln klar aufzuzeigen. Auf jeden Fall erfassen wir alle Meldungen. So können wir erkennen, wenn sich eine Situation zuspitzt. 

Plötzlich gab es Leute, die sich bei Verkehrskontrollen nicht mehr ausweisen wollten, und die Bussen kamen einfach zurück.

Während der Coronapandemie hatten Querulanten Hochkonjunktur. Wie habt ihr das erlebt?
Auf einmal kamen vom Staat viel mehr Entscheide, die Einzelpersonen persönlich betrafen. Staatskritische und querulatorische Menschen haben sich zusammengeschlossen, vor allem in den sozialen Medien. Die Szene der  Staatsverweigerer, die den Staat als Institution komplett ablehnen, erlebte einen Aufschwung.

Wie hat sich das konkret ausgewirkt?
Plötzlich gab es Leute, die sich bei Verkehrskontrollen nicht mehr ausweisen wollten, und Bussen kamen mit der Begründung zurück, dass die Gebüssten keinen Vertrag mit der «Firma Staat» hätten und sie deswegen nicht bezahlen würden. Dieser Trend ist jedoch wieder stark abgeflaut. Die Trittbrettfahrer sind abgesprungen, als sie gemerkt haben, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat: Zahle ich keine Steuern, kommen irgendwann die Pfändungen.

Im langjährigen Vergleich beobachtet ihr also keinen Anstieg von querulatorischem Verhalten?
Nein, da sind die Fallzahlen stabil. Aber im Umgang mit Drohungen kam es in den letzten Jahren zu einem Paradigmenwechsel. Früher hiess es bei der Polizei: «Solange nichts passiert ist, können wir nichts tun.» Heute wollen wir präventiver arbeiten und bei möglichen Gewalthandlungen nicht abwarten, bis etwas passiert. Das wollen wir nicht und das will die Gesellschaft nicht.

Das Interview führte Lena Müller, Kommunikation Staatskanzlei 

Weiterbildung nötig?
Die POE bietet einen eintägigen Kurs zum Umgang mit Bedrohungssituationen an. Im Bereich Sozialkompetenz findest du weitere Angebote zu verwandten Themen wie Gesprächsführung, Körpersprache und Verhalten in Konfliktsituationen. Weitere Informationen: trainingplus.ch