Am Anfang stand ein Schreckensmoment. Im April 2023 sagte der Kanton Tessin seinen lange vereinbarten Auftritt an der Olma ab. Was nun? Kurzentschlossen sprang der Kanton St.Gallen ein. «Die St.Galler Regierung betrachtete einen Auftritt an der Olma als Chance und sprach sich für den Auftritt aus», sagt Thomas Zuberbühler, Leiter Kommunikation. Er ist seither Teil des Projektteams, das den Auftritt organisiert hat. Seit wenigen Tagen ist das St.Galler Olma-Heimspiel nun mit dem Motto «uf Bsuech dihei» Realität.
Ganz so einfach war der Weg zum Heimspiel aber nicht, erzählt Thomas: «Am Anfang dachten wir, das wird eine schnelle und einfache Sache. Bis wir dann gemerkt haben, so ein Gastauftritt im eigenen Kanton weckt ganz andere Erwartungen.» Die Konsequenzen waren einschneidend. «Wir mussten fast in der Mitte der Zeit unser erstes Konzept wegwerfen und praktisch von vorne beginnen. Das war ein Fluch, aber heute auch ein Segen – wir sind sehr glücklich mit dem Resultat!»
Wir mussten fast in der Mitte der Zeit unser erstes Konzept wegwerfen und praktisch von vorne beginnen.
Thomas Zuberbühler, Leiter Kommunikation Staatskanzlei
Im Zentrum des St.Galler Auftrittes steht die Sonderschau. Entstanden ist ein überdimensioniertes grünes Wohnzimmer in der Halle 9.1B – es ist das Herzstück der Sonderschau und lädt ein, den Kanton, seine Gemeinden und Mitmenschen besser kennenzulernen und über die Zukunft des Kantons nachzudenken und zu diskutieren.
Wer ein Projekt dieser Grössenordnung angeht, braucht einen guten Sparringpartner. «Wir haben für den kreativen Überbau die Agentur Alltag herbeigezogen. Uns war eine Aussensicht wichtig. In einem Workshop kam dann Philipp Lämmlin von der Agentur mit dem Slogan «uf Bsuech dihei» – wir fanden den Vorschlag treffend: einladend, nahbar und bodenständig», sagt Thomas.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten feiern
Das Ziel der Sonderausstellung: Die Besucherinnen und Besucher sollen sich und ihr Zuhause neu kennenlernen. Was wissen die Besucherinnen und Besucher über die Gemeinden im Kanton? Wer unter uns St.Gallerinnen und St.Gallern prägt den Kanton im Alltag? Bewegte und bewegende Geschichten von Mitmenschen geben die Antworten.
Die Sonderschau möchte möglichst alle Generationen ansprechen: Eine Schnitzeljagd weckt den Geist der zukünftigen Entdeckerinnen und Entdecker des Kantons. Von der überlangen Bar aus, an der man Kulinarisches aus dem Kanton entdecken kann, können ihnen die Erwachsenen zuschauen. Und wer Lust hat auf unbekannte Nachbarinnen und Nachbarn, kann beim politischen Speed-Dating unter einer Linde über die Zukunft des Kantons diskutieren.
«Keine Gemeinde wollte sich ‹lumpen› lassen, alle wollten sich mit einem Wow-Effekt abheben.»
Bernhard Keller, Geschäftsführer VSGP
«Ohne Gemeinden kein Kanton»
Eine zentrale Rolle beim St.Galler Olma-Auftritt spielen die politischen Gemeinden und die Ortsgemeinden. Das kommt nicht von ungefähr. «Ohne Gemeinden kein Kanton», sagt Bernhard Keller, der Geschäftsführer des Verbandes St. Galler Gemeindepräsidien. Das Motto «uf Bsuech dihei» sei für die Gemeinden ein Ansporn, sagt Bernhard Keller weiter, denn eine gute Gastgeberin zu sein, gehöre zum Grundauftrag jeder Gemeinde. «Der Auftritt an der Olma ist für die Gemeinden aber sicher eine Herausforderung, sowohl organisatorisch, personell als auch finanziell.»
50 verschiedene Sujets am grossen Umzug
Trotzdem: Stimmung und Engagement bei den Gemeinden während der Vorbereitungen sind hervorragend. «Sie haben sich alle mit viel Einsatz daran gemacht, einen tollen Auftritt hinlegen zu können», rühmt Bernhard Keller. Und es habe dabei durchaus eine positive Dynamik gegeben. «Keine Gemeinde wollte sich ‹lumpen› lassen, alle wollten sich mit einem Wow-Effekt abheben.»
Höhepunkt jedes Gastkantons ist der Olma-Samstag, an dessen Umzug er sich präsentiert. Ein buntes Bild auch 2024: Über 1500 Personen aus allen Regionen sind in der St.Galler Innenstadt unterwegs und machen ihr Heimspiel mit über 50 verschiedenen Sujets bildhaft.
Ein Novum der diesjährigen Olma gibt es dann am Festakt in der Arena: Die Bevölkerung ist beim Festakt einbezogen – in der Mitte des Geschehens, nicht als Zuschauende auf den Rängen. So richtig zu Hause, wie in der guten alten Stube also. Uf Bsuech dihei.

Und so haben wir es früher gemacht
St.Gallen ist nicht das erste Mal Gastkanton an der Olma. Bereits 1953 an der 11. Olma war der Kanton uf Bsuech dihei. Dannzumal feierte die Ausstellung 150 Jahre St. Gallische Landwirtschaft. Auch für die Olma selbst war 1953 ein bedeutendes Jahr: Die Olma-Genossenschaft wurde gegründet und die berühmte Halle 7 war zum ersten Mal in der heutigen Gestalt in Betrieb. Danach dauerte es knapp 40 Jahre, bis der Kanton seinen nächsten Gastauftritt erhielt. 1991 lautete das Motto «St.Galler Spitzen». Damals wurde eine breite Palette an Sonderschauen und Veranstaltungen organisiert. Neben zwei Sonderschauen zu den Themen Textilien und Weinbau fand das 4. Olma-Agrargespräch zum Thema «Multifunktionale Landwirtschaft» statt. Über was man da heute wohl sprechen würde?
«Besonders spannend war
die Suche nach dem Motto»
Regierungsrat Beat Tinner, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes, wirkte an vorderster Front bei der Entwicklung des Auftritts St.Gallens an der Olma mit. Fünf Fragen an ihn.

Olma und Beat – passt das zusammen?
Ja, das passt hervorragend. Mein Vater nahm mich schon früh als Kind mit an die Olma. Besonders der Jahrmarkt war für meinen Bruder und mich das Highlight dieser Besuche. Als Fünfjähriger habe ich leider meinen Vater einmal im Trubel verloren und wurde dann in einer Kinderkrippe betreut. Die Erinnerungen an diese Olma-Besuche bleiben dennoch unvergessen. Heute faszinieren mich vor allem die Sonderschau und der farbenprächtige Samstagsumzug.
Du hast den Gastkantonsauftritt verantwortet. War das Freude oder Frust?
Es war eine riesige Freude, vor allem dank der grossartigen Zusammenarbeit mit den Gemeinden beziehungsweise Ortsgemeinden als Partner des Kantons. Besonders spannend war die Suche nach einem passenden Motto für unseren Auftritt – eine kreative Herausforderung, die uns viel Spass bereitet hat. Die Vorbereitungen wurden auch durch das gute Miteinander mit der Olma, dem Culinarium, der Agentur und allen beteiligten Personen aus der Staatsverwaltung erleichtert.
Jetzt steht der Auftritt – dein Highlight?
Für mich ist der Tag der Bäuerin ein ganz besonderes Highlight. Als Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements liegen mir die Landwirtschaft und die wichtige Rolle unserer Bäuerinnen besonders am Herzen. Dieser Tag ist nicht nur eine Hommage an ihre Arbeit, sondern zeigt auch, wie tief die Landwirtschaft in unserer Kultur verwurzelt ist.
Dich trifft man auch in der Sonderschau an. Weshalb?
Ich freue mich sehr auf die Standbetreuung in der Sonderschau. Für mich ist das eine wunderbare Gelegenheit, mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. Unser Wohnzimmer des Kantons bietet den Besucherinnen und Besuchern einen spannenden Einblick in die Vielfalt unserer Region, und es ist mir wichtig, dies auch persönlich zu erleben und zu vermitteln.
Was sollen die Menschen denken, nachdem sie unseren Auftritt erlebt haben?
Mein Wunsch ist, dass die Menschen mit einem «Aha-Effekt» nach Hause gehen. Unser Auftritt soll ihnen neue und überraschende Einblicke in unseren Kanton bieten. Das Wohnzimmer des Kantons lädt dazu ein, bekannte Traditionen und frische Ideen gleichermassen zu entdecken und hoffentlich mit einem Gefühl der Verbundenheit und Begeisterung für St. Gallen nach Hause zu gehen.