Sind wir bald per Du mit der Regierung?

100 Tage im Amt

Das Interview führte Thomas Zuberbühler, Leiter Kommunikation, Staatskanzlei | Titelbild: Benjamin Manser

Die RegierungsrŠtin Susanne Hartmann (CVP), wŠhrend dem ersten Tag der Junisession des St. Galler Kantonsrates die wegen dem Coronavirus in der Olmahalle stattfindet, am Dienstag, 2. Juni 2020, in St. Gallen. © Benjamin Manser
Die RegierungsrŠtin Susanne Hartmann (CVP), wŠhrend dem ersten Tag der Junisession des St. Galler Kantonsrates die wegen dem Coronavirus in der Olmahalle stattfindet, am Dienstag, 2. Juni 2020, in St. Gallen. © Benjamin Manser

Laura Bucher, Susanne Hartmann, Beat Tinner: Sie sind die drei Neuen in der Regierung. Sie befinden seit Juni über Themen, die das Personal direkt betreffen. Wie denken sie über die Mitarbeitenden und die Verwaltung? Der «Pfalzbrief» hat ihnen auf den Zahn gefühlt.

Susanne Hartmann, Sie haben aus der Wiler Stadtverwaltung zur kantonalen Verwaltung gewechselt. Was ist anders hier?
In der Stadtverwaltung hatte ich 60 Mitarbeitende, jetzt sind es über 600. Da dauert es natürlich länger, bis ich alle Kolleginnen und Kollegen kennengelernt habe und wir unseren Teamspirit haben.

In Wil waren Sie Stadtpräsidentin mit der entsprechenden Aussenwirkung, hier wiederum sind Sie eines von sieben Regierungsmitgliedern. Ist das gut oder schlecht fürs Ego?
Mir gefällt es so viel besser. Als Stadtpräsidentin stimmten die Verantwortung und die Kompetenzen nicht ganz überein. Man wird verantwortlich gemacht für Bereiche, auf die man keinen Einfluss hat. Hier beim Kanton ist das anders. Hier werde ich viel unmittelbarer daran gemessen, was mir tatsächlich gelingt und was nicht.

Laura Bucher, Sie und Ihre Partei haben sich im Kantonsrat immer für mehr Lohn für das Personal eingesetzt. Wurden Sie mit Champagnerknallen empfangen?
(schmunzelt) Nein, das zwar nicht, aber ich habe grosse Freude wahrgenommen und spüre Wohlwollen. Wir haben uns im Team schnell gefunden und sind entsprechend gut gestartet.

Oft ist die oberste Chefin oder der oberste Chef älter. Sie aber sind in Ihrem Führungsteam die Jüngste. Wie wirkt sich das auf das Team aus?
Wir begegnen uns auf Augenhöhe und der Austausch ist unkompliziert. Das hängt vielleicht auch mit meinem Alter zusammen.

Beat Tinner, Sie pendeln von Wartau nach St. Gallen. Das sind im Auto 50 Minuten, im Zug gar 1,5 Stunden. Über was denken Sie während dieser Zeit jeweils nach?
Morgens lese ich viele Zeitungen, diese Zeit schätze ich sehr. Abends treffe ich beim Pendeln auch mal Laura [Bucher] und wir tauschen uns informell aus. Spannend ist aber vor allem auch der Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Sie hatten im Wahlkampf vorgeschlagen, die Verwaltung zu dezentralisieren. Wäre das vor allem eine Möglichkeit, Ihren Arbeitsweg zu verkürzen?
Ich habe als Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes Glück: Wir haben mit den RAVs, dem Forst oder den Wildhütern viele Aussenstellen. Aber ja, die Idee der dezentralen Verwaltung werde ich weiterverfolgen.

Mit Homeoffice hatten wir in den vergangenen Monaten eine Art dezentrale Verwaltung erprobt. Die Regierung möchte dessen Einsatz auch fördern. Wie denken Sie über Homeoffice?
Susanne Hartmann: Es hat Vor- und Nachteile, aber bei einem 100-Prozent-Pensum sollten ein bis zwei Tage Homeoffice möglich sein. Das fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Hingegen fehlt mir der Kontakt – gerade in der gemeinsamen Projektarbeit braucht es den Austausch vor Ort.


Beat Tinner: Ich bin auch offen gegenüber Homeoffice. Eine Herausforderung ist aber, dass noch nicht alle Arbeitsinstrumente digitalisiert sind. Bei uns sind das beispielsweise Pläne. Da müssen wir vorwärts machen, damit auch die davon betroffenen Mitarbeitenden von Homeoffice profitieren können.


Laura Bucher: Homeoffice bietet Flexibilität und Betreuungsaufgaben lassen sich besser organisieren. Aber die Betreuung muss geregelt sein, denn beides gleichzeitig geht meistens nicht. Und wir dürfen unsere Mitarbeitenden am Schalter nicht vergessen, die vor Ort sein müssen. Wir sollten alle gleich behandeln. Da helfen die neuen technischen Möglichkeiten, auch wenn sich die Prozesse oft nur langsam verändern lassen.

Damit sind wir beim Image der Verwaltung. Sie sind nun auch Teil davon. Welches Vorurteil hat sich bestätigt – welches nicht?
Laura Bucher: Wir sind stark abhängig von kantonsinternen Vorgaben, Bundesvorgaben, von interkantonalen Absprachen, von der Zusammenarbeit mit den Gemeinden … es gibt so viele Schnittstellen. Das führt dazu, dass man nicht immer so innovativ und schnell sein kann, wie wir es gern hätten.


Wollen und können Sie diesem Image der Behäbigkeit mit Ihrer Departementsführung entgegenwirken?
Susanne Hartmann: Das Image hat sich geändert, aber noch nicht so stark, wie ich mir das vorstelle. Hier haben wir als Regierungsmitglieder eine Vorbildfunktion. Wir müssen die Kundinnen und die Kunden in den Fokus rücken. Das Image prägen wir von oben, über unsere Amtsleiterinnen und Amtsleiter.

Beat Tinner: Kundenfokus heisst es auch bei mir. Bei der Kurzarbeit beispielsweise haben wir mit einer einfachen Massnahme erreicht, dass wir 60 Prozent der Eingaben schneller bearbeiten können. Das hilft unserem Image. Und ja, wir als Regierung geben den Takt vor, wie agil die Verwaltung von aussen wahrgenommen wird.

Das Image der Verwaltung war erst kürzlich wieder medial ein Thema: Kritisiert wurden die ausserordentlichen Leistungsprämien für Mehrarbeit wegen der Corona-Pandemie. Zu Recht?
Laura Bucher: Ich war etwas überrascht, denn in dieser Krise haben viele nach dem Staat gerufen. Wir waren hier für die Bürgerinnen und Bürger. Viele unserer Mitarbeitenden waren fast rund um die Uhr erreichbar und beschäftigt. Da finde ich die Prämien gerechtfertigt.

Susanne Hartmann: Man vergleicht Äpfel mit Birnen, wenn man sagt, Unternehmen hätten Kurzarbeit und die Verwaltung verteile Leistungsprämien. Unsere Mitarbeitenden haben Ausserordentliches geleistet, das darf man auch honorieren.

Beat Tinner: Für mich ist wichtig, dass wir Leistungsprämien schon immer ausgerichtet haben. Ob es nun einen Bezug zu Corona gibt oder nicht, spielt für mich deshalb nicht so eine grosse Rolle.

Während der Corona-Krise haben die Departemente sehr stark zusammengearbeitet. Das Silodenken trat in den Hintergrund. Wie nehmen Sie die überdepartementale Zusammenarbeit wahr?
Beat Tinner: Beim Amtsantritt habe ich den Fokus auf die Vernetzung gelegt – nicht nur gegen aussen, sondern auch gegen innen. Hier müssen wir unserer Kultur weiterentwickeln und Probleme direkt ansprechen.

Susanne Hartmann: Ich will flache Hierarchien und direkte Dienstwege und hoffe, dass dies nicht nur innerhalb meines Departements möglich ist, sondern auch in der Zusammenarbeit mit anderen Departementen.

Laura Bucher: Meine Mitarbeitenden sind über die Departemente hinweg sehr gut vernetzt. Man kennt sich, weiss, wer was macht. Die Zusammenarbeit ist intensiv und funktioniert. Die Departemente haben aber zum Teil verständlicherweise unterschiedliche Sichtweisen auf Probleme, dann ist eine transparente Kommunikation wichtig.

Bei uns im Kanton gilt die Siez-Kultur. Wären Sie für eine Du-Kultur?
Alle drei: Ja!