«Leichte Sprache»

Voll auf den Sinn fokussiert

Thomas Weber, Fachspezialist Amt für Soziales, Departement des Innern

«Leichte Sprache»

Voll auf den Sinn fokussiert

Thomas Weber, Fachspezialist Amt für Soziales, Departement des Innern

Lesen – und doch kaum etwas verstehen. Viele Menschen haben aufgrund einer Beeinträchtigung Mühe, Texte zu verstehen. Für sie ist die «Leichte Sprache»: Eine Totalreduktion der Alltagssprache, ganz fokussiert auf den Sinn, ohne jede Floskel und ohne Fachbegriff. Vier Thesen zur «Leichten Sprache» und was Thomas Weber vom Amt für Soziales dazu sagt.

These 1

Die Sprachkompetenz nimmt generell ab. «Leichte Sprache» hat deshalb eine wachsende Zahl von Nutzerinnen und Nutzern.

Thomas Weber: Kurznachrichten wie Twitter, SMS oder Whatsapp verändern die Sprachkompetenz vor allem der jungen Generation. Die Befürchtung: Mehr und mehr Menschen werden deshalb zunehmend Schwierigkeiten haben, komplexe Texte zu verstehen. Gleichwohl sind Kurznachrichten eng verwandt mit «Leichter Sprache». Das bedeutet, dass es mehr und mehr normal wird, die «Leichte Sprache» zu verwenden.

These 2

Alltagssprache in «Leichte Sprache» übersetzen ist simpel – es ist ja eine Vereinfachung.

Thomas Weber: Im Gegenteil. Es ist schwierig, Sinn und Bedeutung eines Textes zu verstehen und ihn dann in eine einfachere Form zu transformieren. Das ist bei jeder Übersetzung der Fall. Die Gefahr ist, dass der Ursprungstext mit der Übersetzung eine andere Bedeutung bekommt. Deshalb braucht jemand, der in «Leichte Sprache» übersetzen will, eine spezielle Ausbildung. Die Texte werden zudem immer von betroffenen Menschen überprüft. Erst danach bekommt der Text das Label «Leichte Sprache».

These 3

Schwierige Sachverhalte lassen sich in «Leichter Sprache» nicht darstellen.

Thomas Weber: Das ist eine Frage der Übersetzungskunst. Die goldene Regel: Es geht in erster Linie darum, den Sinn zu vermitteln. Man schreibt, was man meint und was man sagen möchte. Schwierige Sachverhalte müssen keineswegs zwingend in schwieriger Sprache wiedergegeben werden, es geht auch in einfachen Worten.

These 4

Die «Leichte Sprache» drückt das Niveau der Alltagssprache herab.

Thomas Weber: Da «Leichte Sprache» nur geschrieben und nicht gesprochen wird, hat sie nur wenig Einfluss auf die Alltagssprache. In der Regel ist sie eine Ergänzung zur Standardsprache und kommt dann zum Einsatz, wenn es wichtig ist, möglichst viele Menschen mit einer Information zu erreichen.

Wie sieht leichte Sprache aus?

«Leichte Sprache» orientiert sich am Kern dessen, was gesagt werden soll – nicht mehr und nicht weniger. Sie nimmt den Inhalt ernst, aber nicht schwer. Hier einige Beispiele von Übersetzungen, die zeigen, wie die «Leichte Sprache» tickt.

Aus den Fussballregeln der Fifa

Das Spielfeld muss vollständig aus einer Natur- oder, sofern gemäss den Wettbewerbsbestimmungen zulässig, einer Kunstrasenunterlage bestehen, es sei denn, die Wettbewerbsbestimmungen lassen eine Kombination aus Kunst- und Naturrasenmaterialien (Hybridsystem) zu. Kunstrasenfelder sind grün.

In «Leichter Sprache»:

Auf dem Boden vom Fussballfeld muss Gras sein.
Das Gras darf auch aus Plastik sein.
Aber nur wenn es erlaubtes Gras aus Plastik ist.
Das Gras muss entweder echt sein oder aus Plastik.
Manchmal darf aber auch beides gemischt sein.
Hauptsache das Gras ist grün.

(Quelle: Wirtschaftsmagazin «Brand eins»)

Aus den Fussballregeln der Fifa

Spieler dürfen nach einem Tor jubeln, solange sie es nicht übertreiben. „Choreografierte“ Jubelszenen werden aber nicht gefördert und dürfen zu keiner übermäßigen Zeitverzögerung führen. Das Verlassen des Spielfelds beim Torjubel ist an sich noch kein verwarnungswürdiges Vergehen. Die Spieler sind gehalten, so rasch wie möglich zurückzukehren.

In «Leichter Sprache»:

Manchmal schiesst ein Spieler ein Tor.
Dann dürfen sich alle Spieler freuen.
Aber sie sollen nicht wild tanzen oder trödeln.
Manchmal rennen Spieler vor Freude vom Platz.
Das ist in Ordnung.
Sie sollen nur schnell wieder zurück·kommen.

(Quelle: Wirtschaftsmagazin «Brand eins»)

Aus dem Planungsbericht 2018/2020 des Kantons zu Angeboten für Menschen mit einer Behinderung

Für ältere Menschen mit Behinderung sind weitere Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeiten bereitzustellen. Pflege in Behinderteneinrichtungen soll – soweit konzeptionell sinnvoll – angeboten und durch Krankenversicherer mitfinanziert werden.

In «Leichter Sprache»:

Mehr Wohnplätze und Arbeitsplätze für ältere Menschen.
Die Einrichtungen sollen mehr Plätze zum Wohnen und Arbeiten für ältere Menschen mit Behinderung anbieten.
Brauchen diese Menschen auch Pflege? Dann sollen die Einrichtungen diese Pflege anbieten.
Und die Krankenkassen sollen einen Teil der Kosten bezahlen.

Ein Beispiel von www.sg.ch

Mit rund einer halben Million Einwohnerinnen und Einwohnern ist der Kanton St.Gallen bevölkerungsmässig der fünftgrösste Kanton der Schweiz. Die ständige Wohnbevölkerung im Kanton ist seit 2006 kontinuierlich leicht gewachsen und macht mittlerweile knapp sechs Prozent der Gesamtbevölkerung der Schweiz aus. Auch der Ausländeranteil der Bevölkerung hat sich seit 2006 jährlich erhöht und liegt nun bei knapp einem Viertel. Die grösste ausländische Bevölkerungsgruppe besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.

In «Leichter Sprache»:

Fast eine halbe Million Menschen leben im Kanton St. Gallen.
Damit ist der Kanton St. Gallen der fünftgrösste Kanton in der Schweiz.
Nur in 4 anderen Kantonen leben noch mehr Menschen.
Heute gibt es im Kanton 77 Gemeinden. Zu den Gemeinden gehören alle Städte und Dörfer.
Die Bevölkerung im Kanton St. Gallen wächst seit 2006 jedes Jahr ein wenig.
6 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt heute im Kanton St. Gallen.
Auch immer mehr Ausländerinnen und Ausländer leben seit 2006 im Kanton St. Gallen.
Ein Viertel von der St. Galler Bevölkerung sind heute Ausländerinnen und Ausländer.
Die meisten Ausländerinnen und Ausländer kommen aus Deutschland.

Ein Merkblatt in zwei Sprachen
Beispiel der SVA St.Gallen:

Merkblatt Ergänzungsleistungen
Merkblatt Ergänzungsleistungen in Leichter Sprache