Treffpunkt ist die Grabenhalle, mitten in der Stadt St.Gallen. Vor dem Gebäude steht ein Luftmesscontainer, ausgestattet mit Filteranlagen, Messgeräten und Elektronik. Hier erhält man ein gutes Bild über die Luftbelastungen in einer Stadt. Susanne Schlatter zeigt auf einen der Bildschirme. «Wenn draussen an der Kreuzung die Ampel auf Grün schaltet und die Lastwagen anfahren, dann schnellt die Russkurve hier nach oben.»
Erst seit den 80er-Jahren im Fokus
Feinstaub, Russ, Stickoxide und Ozon, das sind die Feinde sauberer Luft. In den 1980er-Jahren legte der Bund mit der Luftreinhalterverordnung die Basis für die Kontrolle der Luftqualität. Zuständig für die Ostschweiz ist die überkantonale Organisation Ostluft (siehe Kasten), Hanna Herich und Susanne Schlatter liefern die Daten des Kantons St.Gallen. «Bei unserer Arbeit geht es um die Grenzwerte: Halten wir sie ein? Wo übersteigen wir sie und weshalb?», erklärt Hanna Herich.
Der Einsatz macht sich bezahlt. «Die Werte beim Feinstaub und den Stickoxiden sind seit den 80er-Jahren kontinuierlich gesunken», sagt Susanne Schlatter. In den letzten zehn Jahren habe es dann aber eine Stagnation bei den Stickoxiden gegeben – erst seit rund fünf Jahren gingen die Werte wieder weiter hinunter. «Die Ursache für die Stagnation war der Dieselskandal. Erst nachdem der Skandal aufgeflogen ist, werden die Schadstoffgrenzwerte der Motoren tatsächlich eingehalten. Damit verbessert sich jetzt auch die Luftqualität wieder.»
Die Interpretation der Daten ist eine der faszinierendsten Seiten unserer Arbeit.
Die Messdaten analysieren und interpretieren sind das Kernstück der Arbeit von Susanne Schlatter (Chemikerin) und Hanna Herich (Physikerin). Gerade wenn es um die Interpretation des Datenmaterials gehe, sei auch Spürsinn gefragt. «Was sagen uns die Zahlen? Was bedeuten sie? Das herauszufinden ist eine der faszinierendsten Seiten unserer Arbeit», sagt Susanne Schlatter.
Der Zustand unserer Luft ist oft das Resultat grösserer Zusammenhänge und nicht immer auf unmittelbar lokale Faktoren zurückzuführen. Ein Beispiel für diese globalen Dimensionen ist die Ammoniakbelastung, die ebenfalls im Ostluftgebiet gemessen wird. Bis vor wenigen Jahrzehnten hätten die Landwirte vorwiegend Dünger und Futter aus einheimischer Produktion verwendet. Mit der Gülle, die auf den Feldern und Wiesen ausgetragen wurde, kamen diese Stoffe wieder zurück in den Kreislauf – ein Gleichgewicht.
Dieses Gleichgewicht ist gestört, seit zudem auch importierter Kunstdünger und importiertes Futter eingesetzt werden. «Mit der Gülle landen diese Stoffe auf den Wiesen und Feldern und werden durch die Luft weitertransportiert. Viele Naturschutzgebiete, Wälder und empfindliche Ökosysteme sind bereits durch Ammoniak und Stickstoffeinträge übermässig belastet», sagt Hanna Herich.
Massiv verbesserte Luftqualität
Globale Veränderungen müssen aber nicht immer negativ sein für die Qualität unserer Luft. Seit Dinge wie unsere Turnschuhe und vieles andere mehr in China produziert würden, falle die Schadstoffbelastung unserer Luft automatisch geringer aus – selbstverständlich zulasten der Luftqualität in China. «Trotz dieser Verlagerungen bleibt die Luftverschmutzung global gesehen ein grosses Problem», sagt Hanna Herich. Im regionalen Bereich gibt es aber positive Entwicklungen, hierzulande beispielsweise wegen der konsequenten Kontrollen der Ölheizungen in den Privathäusern und in den Industriebetrieben. Das macht sich bezahlt: «Im Vergleich zu den 70er- und 80er-Jahren hat sich die Luftqualität bei uns massiv verbessert.»
Die Organisation Ostluft
Luft macht nicht an politischen Grenzen halt. Deshalb überwachen die Ostschweizer Kantone und das Fürstentum Liechtenstein an über 16 Standorten die Luftqualität unter dem Namen «Ostluft» seit 2001 gemeinsam. Zu «Ostluft» gehören beide Appenzell, Glarus, Schaffhausen, St.Gallen, Thurgau und Zürich, das Fürstentum Liechtenstein sowie Graubünden. Das Netz der 16 Standorte wird ergänzt durch zusätzliche Messsysteme, die räumlich und zeitlich flexibel eingesetzt werden können, um spezifische Fragen zu beantworten.