Der Name Pfalz bezeichnete ursprünglich eine landesherrliche Residenz, in unserem Fall jene des Fürstabts. Heute dient die einstige Pfalz dem Kanton St.Gallen als Parlaments- und Regierungssitz sowie als Verwaltungsgebäude. Der nahezu hundert Meter lange Gebäudeflügel bildet den östlichen Abschluss des monumentalen Klosterhofes im Stiftsbezirk und markiert gleichzeitig dessen Hauptachse.
Ein repräsentativer Saal fürs Parlament
Der Bau der Neuen Pfalz wurde unter Abt Beda Angehrn 1767 in Angriff genommen und innerhalb von zwei Jahren unter Dach gebracht. Allerdings erreichte der Innenausbau nie den gewünschten Stand, da die Geldmittel des Klosters nach diversen Grossbauten wie Stiftskirche oder Kornhaus Rorschach knapp wurden. Glanzpunkt der Innenausstattung war die Ausschmückung des grossen Saals im obersten Geschoss des Mittelbaus – der heutige Parlamentssaal. Erst 1786/87 erhielt der Raum die repräsentative Ausmalung als Gartensaal: mit illusionistischen Darstellungen von Pavillons, Orangerien und Ideallandschaften aus Topfpflanzen, Wasserspielen und modellierten Hecken. Die Motive – ganz Ausdruck der säkularen Macht des Fürstabtes – waren ausschliesslich weltlicher Natur und standen damit diametral der Ausschmückung der meisten anderen Prunkräume im Kloster entgegen.
In genau diesem Saal rief 1803 der erste Regierungspräsident Karl Müller-Friedberg den Kanton St.Gallen aus. Bei dessen Gründung und der damit verbundenen Klosteraufhebung waren die Bauten des Stiftes nämlich an den Kanton übergegangen. So erhielten die drei Gewalten des neuen Staats ihre Säle im Mittelrisalit des Flügels: die Legislative, der Grosse Rat (heute Kantonsrat), im obersten Stockwerk, die Exekutive, der Regierungsrat, im zweiten und die Judikative, das Kantonsgericht, im ehemaligen Pfalzratssaal im ersten Stock (heute Staatskanzlei).
Nüchternheit hält Einzug
Im ehemaligen Prunksaal wurde also mit dem Versammlungsraum des Kantonsparlamentes eine standesgemässe Nutzung gefunden und bis heute erhalten. Allerdings entsprach die spielerische Leichtigkeit der barocken Raum-Atmosphäre nicht ganz der sachlich-nüchternen Würde der gesetzgeberischen Behörde und musste schliesslich 1881 einer kompletten Neugestaltung im Sinne der Neurenaissance weichen. Anstelle der lustvoll verspielten Darstellungen des Spätbarocks mit perspektivischen Tiefenwirkungen traten streng allegorisch-heraldische Motive mit tektonischen Gliederungen, die den Bezug zur neuen Aufgabe als Tagungsort des Parlamentes herstellten.
Der Beschluss zur Neugestaltung begleitete immerhin eine Würdigung des «wahrhaft künstlerischen Wertes» der fürstäbtischen Ausstattung: Die entfernte Ausmalung wurde mit fotografisch präzisen Zeichnungen und Aquarellen dokumentiert und sind uns «en miniature» erhalten. Demgegenüber können wir die Erscheinung der weiteren Säle in den darunterliegenden Geschossen nur erahnen. Die Umgestaltungen des 19. und 20. Jahrhunderts sind mit grosser Gründlichkeit und unter Verwischung sämtlicher Spuren erfolgt. Einzig der heutige Büroraum der Vorsteherin des Departementes des Innern zeigt noch den authentischen Standard der fürstäbtischen Interieurs. Daneben finden wir – verteilt in verschiedenen Räumen der Staatsverwaltung – Möbelstücke der spätbarocken Kunst des Schreinerhandwerks.