In der Regel sind unsere gebauten Kulturobjekte von robuster Grundsubstanz. Ein historisches Bauernhaus in gestrickter Holzbauweise beispielsweise, wie man sie auch im Kanton St. Gallen oft antrifft, kann fast nichts aus seiner soliden Ruhe bringen. Ausser natürlich eine Motorsäge, holzvertilgende Insekten oder ein anhaltender Wassereinbruch. Demgegenüber unterliegen einzelne Bauteile wie Fenster, Verputze, Malereien und andere Elemente des Ausbaus oft einer Alterung und sind unter Umständen sehr fragil.
Der komplette Ersatz solcher Teile bedeutet immer eine Minderung des historischen Zeugniswertes und der Authentizität des Kulturobjektes. Gefordert ist dann ein subtiler Umgang mit den defekten Teilen. Spezielle Kenntnisse über historische Handwerkstechniken und Materialisierungen sind dabei unerlässlich. Anhand von Beispielen möchte ich das veranschaulichen:
Hochwertig trotz hohem Alter
Historische Fenster erreichen in aller Regel dank überragender Handwerkskunst und sorgfältiger Auswahl der Materialien – insbesondere des Holzes – ein hohes Alter (bis zu 250 Jahre). Gleichzeitig weisen sie feingliederige Profile auf und können als traditionelles Doppelfenster energetisch gut mithalten. Historische Fenster weisen zahlreiche Formen und Typen mit fest eingebauten und beweglichen Flügeln auf: Teile zum Drehen, Schieben, Heben – seitlich, nach oben, nach unten. Diese Eigenheiten sind eng mit dem Typus des Hauses und mit der jeweiligen Bauepoche verbunden. Sie sind daher für den kulturellen Wert von grosser Bedeutung. Trotzdem sind authentische Fenster an historischen Bauwerken aufgrund von (teilweise gut gemeinter) Erneuerungsfreude gefährdet.
Im Vergleich dazu werden Fenster mit moderner Technologie selten älter als 50 Jahre. Deren Rahmenkonstruktionen sind meist unproportioniert, massig und standardisiert. Bei der Farbfassung der Rahmen wird leider viel zu oft Weiss gewählt: Diese heute vorherrschende Farbe verbreitete sich im Fensterbau allerdings erst ab dem 19. Jahrhundert.
Eine äusserst anspruchsvolle Arbeit
Im Lebenszyklus einer Baute weisen auch Malereien, Tapeten und andere Oberflächenbehandlungen eine hohe Verletzlichkeit auf. Neben normalen Abnützungen und Verwitterungen wirken Veränderungen oder Unzulänglichkeiten des Untergrundes sowie Licht-und Feuchtigkeitseinwirkungen auf diese meist dünnen Beschichtungen ein. Selbst minimale Fragmente dieser Bauteile sind kultur- und kunsthistorisch wertvolle Zeugnisse früherer Techniken, Trends und Wertmassstäbe. Figürliche Malereien stellen religiöse und gesellschaftliche Szenen und Wertmassstäbe im Lichte ihrer Zeit dar. Tapeten, Marmorierungen, pflanzliche oder geometrische Dekorationen dokumentieren meist Modetrends ihrer Epoche. Diese Relikte zu sichern und der Nachwelt zu erhalten, ist meist eine äusserst anspruchsvolle Arbeit.
Ein typisches Beispiel von Alterung und Verletzlichkeit ist das ehemalige Wohnhaus von Karl Uelliger (1914–1993) und seiner Frau Hanna in Dicken. Der Kunstmaler erwarb ein stattliches Bauernhaus aus dem frühen 19. Jahrhundert und bemalte dessen getäferte Fassade um 1970 entsprechend seinem ganz persönlichen Motto für die Malerei: «Freude machen». Lebensfroh und mit Schwung verzierte Uelliger sein Haus mit bunten Ornamenten und figürlichen Darstellungen. Das Resultat war ein wunderbarer, mutiger Mix aus klarer Linienführung der historischen Fassadengliederung und verspielt-fröhlicher Farbigkeit in der Bemalung. Mut bewies der Künstler auch in der Maltechnik: Er liess sich auf ein technisches Experiment ein, das sich später als fataler Missgriff herausstellte. Schon vor der Ausführung hatte Uelliger leise Bedenken, die er zwar äusserte, dann aber wieder vom Tisch wischte (« … man kann nicht immer däsele, man muss auch einmal etwas riskieren …»). Für die Anstriche verwendete er ein damals unter Bewitterung unerprobtes Farbmaterial: Acryl.
Neue Materialien und ihre Tücken
Seinen anfänglichen Bedenken musste der Kunstmaler leider noch zu Lebzeiten recht geben: Bereits kurz nach der Vollendung zeigten sich erste Abplatzungen der Farbschichten. Im grossen Stil traten die Schäden aber glücklicherweise erst nach seinem Ableben in Erscheinung. Neben den starken Ablösungen der Farbschichten traten später auch noch farbliche Veränderungen zutage: Die für Uelliger so typisch klaren Farbtöne verblassten unter der Einwirkung des Tageslichtes.
2006 wurde nach einlässlichen Untersuchungen konstatiert, dass die Schäden irreparabel sind. Entsprechend dem (heute noch gültigen) Stand der Technik wurde der gesamte Anstrich mit einem mikrokristallinen, farblosen Wachs überzogen: Eine reine Konservierung und die einzige Möglichkeit, den rasanten Zerfall zu bremsen. Durch das Wachs sollten die ausgewaschenen Bindemittel teilweise ersetzt und eine minimale Haftung der abgeplatzten Farbpartikel gewährleistet werden. Nach 15 Jahren hat sich diese Hoffnung glücklicherweise bewahrheitet.