Barbara, du bist frischgebackene Chefin von rund 1000 Polizistinnen und Polizisten. Wie fühlt sich das an?
Natürlich habe ich grosse Freude über meine neue Aufgabe und ich empfinde sehr viel Stolz. Aber ich habe auch Respekt. Denn als Polizeikommandantin trage ich eine grosse Verantwortung. Erstens weil ich sehr viele Mitarbeitende führe, zweitens, weil in den Händen der Kantonspolizei das Gewaltmonopol des Staates liegt, die Kapo darf wo nötig auch Gewalt anwenden. Das ist speziell.
Hast du lange gerungen, ob du dich bewerben sollst?
Ich habe mir das sehr gut überlegt und ich habe viele Gespräche geführt. Alles drehte sich um die Frage, ob ich mir diesen Schritt zutrauen kann. Eigentlich wollte ich schon als Kind Polizistin werden. Jetzt hat sich mir die Gelegenheit geboten, als Polizei-Kommandantin eine sehr grosse und wichtige Organisation zu leiten, in der ich gestalten und etwas bewegen kann. Diese Chance wollte ich packen.
Es war dein Kindheitswunsch, Polizistin zu werden?
Ja, mein Vater war Vize-Feuerwehrkommandant, meine Mutter arbeitete ehrenamtlich beim Krankenwagentransportdienst. Bei uns zu Hause hatte es immer Funkgeräte und Blaulicht – es war aufregend, wenn wieder ein Alarm hereinkam. Das hat mich fasziniert. Ich träumte als Kind davon, wie ich mit einem schweren Polizei-Töff über die Strassen fahre. Und so habe ich nach meiner KV-Ausbildung dann die Polizeischule gemacht.
- Interview mit Barbara Reifler, Kommandantin Kapo SG 00:00
Bei uns zu Hause hatte es immer Funkgeräte und Blaulicht – es war aufregend, wenn wieder ein Alarm hereinkam.
Du hast später in der Jugendanwaltschaft und in der Erwachsenen-Strafverfolgung gearbeitet. Was reizte dich daran?
Es geht bei dieser Arbeit um Menschen, die Grenzen überschritten haben. Ich konnte hier einen Beitrag leisten, dass diese Menschen einen positiveren Weg einschlagen können. Das war für mich die wichtigste Motivation, in diesem Bereich zu arbeiten.
Wenn man ständig mit Delikten zu tun hat, verliert man da nicht den Glauben an die Menschen?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin ein sehr positiver Mensch geblieben über all die Jahre. Fehlentwicklungen und grenzüberschreitendes Verhalten gehören zu unserer Gesellschaft. Das können wir nur bedingt ändern. Dahinter verbergen sich oft traurige Schicksale, etwa eine schwierige familiäre Konstellation wie häusliche Gewalt, Sucht- oder psychische Erkrankungen, welche zu negativem Verhalten führen können. Das Schöne an der Arbeit mit Straffälligen ist, dass man etwas Positives beitragen kann.
Du giltst als eine moderne Führungskraft der jüngeren Generation. Wie merken das «deine» Polizistinnen und Polizisten?
Mir ist es wichtig, dass meine Leute teilhaben und dass wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten können. Speziell an der Kantonspolizei ist sicher, dass sie stark hierarchisch aufgebaut ist. Das hat historische Gründe. Die jüngere Generation möchte sich stärker einbringen, sie möchte nicht, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Ich hoffe, dass wir uns gemeinsam einem solchen Verständnis annähern können.
Die Kantonspolizei ist sehr gut aufgestellt, sei es in technischen Bereichen, im Prozessmanagement, im Bereich der Digitalisierung.
Das klingt nach einer Herkulesaufgabe …
Ja, das ist ein Prozess – vermutlich eher ein Marathon als ein Sprint. Eine solche Kulturentwicklung braucht Zeit. Für mich ist ein solcher Weg aber eine spannende Aufgabe, weil es auch hier um Menschen geht. Ich bin jemand, der gerne führt. Und ich überzeuge und begeistere die Menschen gerne für meine Anliegen.
Die Kantonspolizei hat ein Rekrutierungsproblem – deine Rezepte?
Die Kantonspolizei ist sehr gut aufgestellt, sei es in technischen Bereichen, im Prozessmanagement, im Bereich der Digitalisierung. Wir stehen im Vergleich zu anderen Korps in dieser Hinsicht sehr gut da. Jetzt geht es wie gesagt darum, eine partizipative, offene Kultur zu etablieren, was jüngere Menschen ansprechen soll. Für mich ist es zudem wichtig, dass wir auch den Sinn der Polizeiarbeit betonen. Wir leisten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Das müssen wir nach aussen tragen.
Du bist seit Anfang Dezember Kommandantin. Was ist die drängendste Aufgabe?
Das Wichtigste für mich ist, die Menschen so schnell als möglich kennenzulernen. Das bedeutet, Beziehungen aufbauen und Vertrauen aufbauen, auch zur Politik. Es geht also primär darum, die Organisation selbst und ihr Umfeld kennenzulernen.