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«Früher sah man hier nur 2 Leute am Tag»

Keiner kennt den Witenwald bei Goldach so gut wie Fritz Althaus. Nach 41 Jahren als Forstwart ist er jetzt pensioniert. «Ich habe vom Wald gelernt», blickt er zurück.

Text Susanne Wahrenberger | Foto Thomas Hary

Pfalzbrief 2025 03 Fritz Althaus 0005

Fritz, wie viele Bäume hast du in den 41 Jahren gefällt?
Tausende! Am meisten waren es nach dem Orkan Lothar. Früher entschied der Holzpreis mit, wie viele Bäume gefällt werden. War der Preis hoch, waren es viele. Heute regeln das Betriebspläne. Hier im Staatswald fällten wir zuletzt etwa 3000 Kubikmeter pro Jahr.

Und wie viele hast du gepflanzt?
Als ich hier anfing, hatte ein Föhnsturm grossen Schaden angerichtet. In zwei, drei Jahren setzten wir 100000 neue Bäume. Heute sind es höchstens 500 pro Jahr. Wir arbeiten stärker mit der Natur und unterstützen junge Bäume beim Wachsen. Zum Beispiel indem wir für die richtigen Lichtverhältnisse sorgen.

Früher begegnete ich vielleicht zwei Spaziergängern am Tag. Heute kommt fast alle fünf Minuten jemand vorbei.

Ein halbes Jahrhundert im Wald. Wie hat sich deine Arbeit verändert?
Körperlich war es früher strenger. Wir hatten zum Beispiel keine Kräne, sondern arbeiteten mit Bodenseilzügen. Dafür hatten wir früher weniger Zeitdruck. Heute geben die Maschinen das Tempo vor. Auch die Kommunikation hat sich verändert: Früher erhielten wir am Morgen den Auftrag und sahen den Förster erst am Abend wieder – heute sind wir viel mehr im Austausch.

Und der Wald selbst?
Als ich 1984 anfing, war das Waldsterben ein grosses Thema. Man dachte, es gebe irgendwann keinen Wald mehr. Dann hat man gemerkt, dass sich der Wald selber regeneriert, und das Thema verschwand wieder. Jetzt sieht man, dass das wärmere Klima dem Wald zusetzt. Zum Beispiel, wenn Buchen im Sommer ihre Blätter abwerfen und neu austreiben. Das gab es früher nicht. Fichten leiden unter der Hitze, darum setzen wir zunehmend auf Laubwald. Ich glaube, der Wald wird sich anpassen. Aber wir können ihm helfen, indem wir wärmeliebende Baumarten fördern.

Die Menschen und der Wald. Was ist das für eine Beziehung?
Früher begegnete ich vielleicht zwei Spaziergängern am Tag. Heute kommt fast alle fünf Minuten jemand vorbei: Reiterinnen, Biker, Menschen mit dem Hund. Der Wald ist zu einem Erholungsraum geworden. 

… mit welchen Folgen?
Wenn zu viele Menschen abseits der Wege unterwegs sind, ziehen sich die Wildtiere in die ruhigen Ecken zurück. Dort fressen sie dann viele der Pflanzen und der Wald kann nicht mehr richtig wachsen. Das Problem ist also nicht, dass Menschen die Pflanzen kaputt machen. Sondern, dass sie das Wild vertreiben, das dann an anderen Orten die Pflanzen kaputt macht. Viele Leute wissen gar nicht, dass sie möglicherweise etwas falsch machen. Mir war es immer wichtig aufzuklären und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.

Du hast fast dein ganzes Berufsleben beim Kanton verbracht. Wolltest du nie etwas anderes machen?
Als ich hier anfing, konnte ich mir nicht vorstellen, so lange zu bleiben. Aber der Kanton war immer ein sehr guter Arbeitgeber. Auch die Menschen, mit denen ich zusammenarbeitete, waren toll. Mir hat es einfach immer gefallen, darum blieb ich. Ich habe mich immer weitergebildet, habe Kurse gegeben, Lehrabschlussprüfungen abgenommen. Ich habe also auch selbst etwas dazu beigetragen, dass die Aufgabe spannend blieb.

Ich habe Geduld vom Wald gelernt. Wachsen ist ein langsamer Prozess. Alles braucht seine Zeit.

Was bedeutet der Wald für dich?
Lange war er mein Arbeitsplatz. Ich war aber auch oft nach Feierabend oder am Wochenende mit den Kindern im Wald. Wir haben Pilze gesammelt, g spielt oder einen Cervelat gebrätelt. Ich mag auch die Stille hier. Wenn man allein im Wald ist, gehen einem viele Gedanken durch den Kopf.

Du hast bestimmt einen Lieblingsbaum …
Ja. Eine über 400 Jahre alte Eiche. Sie ist etwa 40 Meter hoch und hat einen Umfang von 5 Metern. Sie hat mich mein ganzes Berufsleben begleitet. Die Eiche mag ich, weil sie der Natur am meisten nützt. Sie beheimatet viele Lebewesen: Fledermäuse, Vogelbruten und Insekten. Und die Eiche ist klimaresistent.

Was hast du vom Wald gelernt?
Geduld. Wachsen ist ein langsamer Prozess. Alles braucht seine Zeit.