Ein guter Kantonsbaumeister ist auch ein guter Mediator

Es gibt Bauprojekte, bei denen steckt der Wurm drin. Mit Schwierigkeiten kämpft auch der Campus Platztor, der Neubau der Universität St. Gallen. Warum sich die Dinge beim Bau oft querstellen, weiss Kantonsbaumeister Erol Doguoglu.

Text: Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei - Fotograf: Thomas Hary

Ein guter Kantonsbaumeister ist auch ein guter Mediator

Es gibt Bauprojekte, bei denen steckt der Wurm drin. Mit Schwierigkeiten kämpft auch der Campus Platztor, der Neubau der Universität St. Gallen. Warum sich die Dinge beim Bau oft querstellen, weiss Kantonsbaumeister Erol Doguoglu.

Text: Markus Wehrli, Kommunikation Staatskanzlei - Fotograf: Thomas Hary

Das Projekt für den Campus Platztor muss neu ausgeschrieben werden, die Weiterbearbeitung des Siegerprojektes ist gescheitert. Übungsabbruch eines renommierten Bauprojektes – passiert das oft?
Nein, das ist die Ausnahme. Beim Campus Platztor kam es zu einer Verkettung von vielen verschiedenen Umständen, die den Abbruch des Projektes und einen Neustart nahelegten. Die Prozesse im Preisgericht verliefen nicht optimal, der Druck, einen Entscheid zu fällen, war aber riesig. So wurde ein Projekt gekürt, das eine Vision für ein «Haus im Park» versprach, aber zahlreiche Nachbesserungen verlangte. Daran scheiterte es schliesslich.

Im Preisgericht sassen über 20 Expertinnen und Experten sowie Fachleute. Sie wählten ein Projekt, welches vor allem Probleme machte. Wie ist das möglich?
Man hat sich erhofft, dass die erwähnte Vision umgesetzt werden könnte. Tatsache ist, dass dies am Ende nicht gelungen ist.

Bauen ist keine exakte Wissenschaft wie Physik oder Mathematik, was es unberechenbar macht.

Gescheiterte Bauprojekte – kommen dir andere Beispiele in den Sinn?
Die Stadt St.Gallen plante Anfang der 2000er-Jahre eine Erweiterung des Kunstmuseums im Stadtpark. Die Planung erforderte Jahre. Das Projekt scheiterte dann an der Urne, nachdem gegen eine Zonenplanänderung das Referendum ergriffen worden war. Oder da wäre das Projekt HB-Südwest der SBB für eine Gleisüberdeckung vor dem Hauptbahnhof Zürich. Die Planung dauerte über 20 Jahre und wurde schliesslich aus wirtschaftlichen Überlegungen gestoppt.

Was ist so schwierig am Bauen?
Bauen ist keine exakte Wissenschaft wie Physik oder Mathematik, was es unberechenbar macht. Die Prozesse sind auch anders als etwa in der industriellen Fertigung. Ein Bauvorhaben ist vor allem in der Planungsphase eine ständige Suche nach Lösungen. Diese Suche und Annäherung beinhaltet die Gefahr, dass man sich in der Entwicklung auch in Sackgassen verrennen kann. Ist dieser Prozess aber optimal geführt, bringt er hohe Qualität und nachhaltige Lösungen hervor.

Pfalzbrief 2023 04 Erol Doguoglu 0002

Ein Bau ist immer ein Prototyp…
Ja, und deshalb ist das stete Suchen und Verwerfen so wichtig. So gesehen gehört Scheitern auch zum Prozess. Es geht um eine positive Fehlerkultur: Man soll Fehler zulassen und daraus lernen. Das steht natürlich im Widerspruch zur gängigen Vorstellung von Effizienz und es ist oft schwierig, dies in der Öffentlichkeit verständlich zu machen. Der gescheiterte Erweiterungsbau des Kunstmuseums St.Gallen ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Wege in der Architektur zu einer guten Lösung oft lang sind. Ich glaube heute, es war richtig, auf den Erweiterungsbau im Stadtpark zu verzichten. Die Qualität des Parks hätte gelitten. So gesehen ist das damalige Scheitern des Projektes aus heutiger Sicht ein Erfolg.

Was ist die Falle an diesem Prozess?
Dass die Emotionen überhandnehmen, wenn Fehler passieren. Dass man die Nerven verliert, zu stark Gegensteuer gibt und nach Schuldigen sucht statt nach einer Lösung, wie man den Fehler wiedergutmachen kann. Beim Planen und Bauen braucht es eine offene Fehler- und Umgangskultur unter allen Beteiligten.

Du hast dich in Mediation weitergebildet, mit welchem Ziel?
Die Kunst beim Bauen ist, die verschiedenen Akteure hinter das Projekt zu bringen. Dies ist dann besonders wichtig, wenn Probleme auftauchen. Meine Weiterbildung in Mediation hat mir die Instrumente an die Hand gegeben, auch die schwierigen Situationen bei Bauprojekten zu meistern und Sackgassen überwinden zu können.

Ein guter Kantonsbaumeister ist auch ein guter Mediator?
Das kann man so sagen.

Du warst Stadtbaumeister in der Stadt St.Gallen, dann Kantonsbau meister im Thurgau, jetzt Kantonsbaumeister in St.Gallen – prima Karriereplanung.
Der Schein trügt, mein Lebenslauf ist insgesamt eher zufällig entstanden. Ich bin in St.Gallen aufgewachsen und habe lange Jahre hier als Architekt, dann auch als Stadtbaumeister gearbeitet. Es ist jetzt wie eine Art Nach-Hause-Kommen für mich. Ich werde bald 59 Jahre alt, und als Susanne Hartmann mich angerufen hat, wusste ich, dass ich mir diese Chance nicht entgehen lassen will. Ich bin mit Leib und Seele Architekt. Aber ich muss gestehen, dass mir die Rolle als Mediator ebenso gefällt. Hier kann ich meine Fähigkeiten sehr gut einsetzen.

Und was sind jetzt deine Ziele als St.Galler Kantonsbaumeister?
Ich möchte Ruhe ins Hochbauamt bringen. Ich möchte unsere Dienstleistungen auf eine starke Kundenorientierung ausrichten. Und ich möchte gute Architektur bei öffentlichen Bauten weiter pflegen.

Zur Person: Erol Doguoglu ist seit 1. Mai 2023 neuer Kantonsbaumeister. Doguoglu hat an der ETH Zürich Architektur studiert und arbeitete später in verschiedenen Architektur- und Planungsbüros. Zudem widmete er sich auch der Lehr- und Dozententätigkeit. Seine Weiterbildungen umfassen Fächer wie Unternehmensführung und Mediation.