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Was macht eigentlich …

... Heidi Roth, ehemalige Leiterin Abteilung Recht im Bildungsdepartement?

Roth 03

Es war an einem für Oktober schon recht frischen Herbsttag, als ich meine Lieben zu Hause ein letztes Mal drückte und in den Flieger stieg. Im Koffer fand sich hauptsächlich Sommerwäsche, in der Magengegend eine Mischung aus Euphorie, Neugierde und Respekt vor dem Neuen. Meine Pläne waren geschmiedet, ich brach nach vielen Jahren der Vollzeitarbeit auf an die Westküste Australiens. Für Reisen, Freiheit und eine Weiterbildung.

Zunächst nahm ich mir vor, meinem Englisch einen Gefallen zu tun, und meldete mich an zu «academic english». Schnell fand ich mich wieder unter jungen, frischen Menschen aus der ganzen Welt. Mit aufpolierter Sprache stürzte ich mich also in den Alltag und strandete. Australier sprechen nicht Englisch, sondern «Australisch». Wer «ai» hört, kann unmöglich wissen, ob es sich um einen simplen Ausruf, um Augen oder gar Eis handelt. Wer nach einem «Laada» fragt, könnte einen «Latte» (macchiato) oder ein Feuerzeug verlangen. 

… nie der Hölle näher 

Eines Abends bestellte ich an der Bar ein Glas wohl ausgesprochenes «Cabernet Sauvignon». So was habe man hier nicht, entgegnete mir der Keeper, was ich nicht glauben konnte: Der Wein wurde gleich hinter ihm in grossen Lettern angepriesen. «Cääpsävv» wäre hier richtig, eine der unzähligen Abkürzungen der Insel. Heute klingt mein «yeah mate» schon fast natürlich. Nach der grossen Sommerhitze, getüncht von 37 Grad heissen Weihnachtsliedern und schlecht geplanten ersten Hot-Yoga-Erfahrungen (im Raum 40 Grad, Aussentemperatur 41 Grad: Noch nie war ich der Hölle näher), packten wir unseren umgebauten Patrol.

Unsere Reise führte uns von Esperance über Halbinseln bis nach Exmouth. Wir suchten Naturschönheiten, Strände und Weite und fanden die Unendlichkeit. Es gab Tage, viele nacheinander, an denen wir keiner Menschenseele begegneten. Wir fuhren auf immer gleichen Strassen ohne Ende. Wo ein Hügel bezwungen war, baute sich am Horizont der nächste auf. Wir hatten Zeit und wir verbrachten sie im Paradies. Die Strände atemberaubend schön und wild, die Natur unberührt und kernig. Manchmal wanderten wilde Ziegen vorbei und in der Nacht leuchteten alle Sterne auf einmal.

Ein Moment für die Ewigkeit

Wer in Australien die Stadt verlässt, den verlässt auch das Handynetz. Es schien, als bliebe die Erde vor den Türen der Küste stehen und drehe sich auch nicht mehr. In  einer Nacht, oben im Norden, war ich zum ersten Mal in meinem Leben Zeugin eines Mondaufgangs am flachen Horizont – ein Moment für meine Ewigkeit. Wieder in der Welt der Menschen mieteten wir eine Wohnung am Strand an, meine Weiterbildung begann. Sie fiel – bei all dem Leben – kleiner als geplant aus. Ein Lebensstück in der Weite bringt jenem sich näher, der sich selbst mag und sich vertraut. Ich bin auf hilfsbereite, herzliche und manchmal knorzige Menschen getroffen, habe in ihnen Freunde gefunden und bin dankbar um jeden Moment in der Schönheit dieser weiten, wilden Küste.

Notiert: Heidi Roth