Eine ganz besondere Ecke

Ganz unten im runden Turm des Regierungsgebäudes verbirgt sich ein Ort, zu dem nur die wenigsten Zugang haben. Es ist das Reich von Staatskellerwirtin Germaine Bürkler.

Text: Lena Müller | Bild: Thomas Hary

Eine ganz besondere Ecke

Ganz unten im runden Turm des Regierungsgebäudes verbirgt sich ein Ort, zu dem nur die wenigsten Zugang haben. Es ist das Reich von Staatskellerwirtin Germaine Bürkler.

Text: Lena Müller | Bild: Thomas Hary

Hinter einer grünen Tür führen die Stufen hinab in einen düsteren Keller, umgeben von massiven Mauern und dunklen Holzbalken. Tageslicht schimmert nur durch Schiessscharten. Den Raum füllen zwei schwere Holztische aus, am Rand stehen Vitrinen mit Gläsern und einer Auswahl an Hochprozentigem. Was dieser Ort wohl schon alles erlebt hat?

Exklusiv für geladene Gäste
«Herzlich willkommen im Staatskeller!», unterbricht eine sympathische Stimme die Gedanken. Sie gehört Germaine Bürkler, der Staatskellerwirtin. Auf den ersten Blick passt die vife Frau mit den kupferfarbenen Haaren, der Leopardenhose und dem auffälligen Nageldesign so gar nicht in diesen antiquierten Raum. «Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mich vorstellen kann, als ich mich 2021 beworben habe für diesen Job», gibt Germaine zu und lacht. Sie sei zu laut und zu spontan, passe wenig zum Stereotyp «Verwaltung», dachte die 42-Jährige damals, die schon ihr ganzes Leben in der Gastronomie verbracht hat. Mittlerweile hat sie ihre Meinung geändert:
«Vielleicht braucht es hier gerade so jemanden wie mich?»

In ihrer Begrüssungsrede bezeichnen die Einladenden den Staatskeller oft als «Wohnzimmer der Regierung».

Die Tür zum Staatskeller steht nur auf Einladung eines Regierungsmitglieds oder des Staatssekretärs offen. Hier verkehrt die Politprominenz, aber auch Sportvereine und Berufsweltmeisterinnen werden hier für besondere Leistungen geehrt. «So treffe ich die unterschiedlichsten Leute», erzählt Germaine, «und zwar in einem ganz anderen Rahmen, als man sie sonst kennt.» Die etwas steifen Magistratinnen und Magistraten werden dann zu ganz normalen Menschen, mit denen es durchaus auch mal zu einem Schwatz über Privates kommt. Der persönliche Kontakt hat Germaines Verhältnis zur Politik verändert: «Früher hat mich das überhaupt nicht interessiert. Doch bei den letzten Wahlen habe ich richtig mitgefiebert.»

Wurst nach Vorschrift
So divers die Gäste sind, so gleichbleibend ist das Menu. Für die Bewirtung im Staatskeller gelten fixe Vorgaben, damit er keine Konkurrenz zu den Restaurants in der Stadt ist: Es gibt Bratwurst mit Bürli (1320 Würste waren es in diesem Jahr), dazu St.Galler Wein. Mittlerweile darf Germaine, die selbst kein Fleisch isst, auch vegetarische und vegane Alternativen anbieten sowie Apéro, Dessert und Kaffee servieren. «Ich würde gern noch mehr Abwechslung bieten, aber da ist nichts zu machen», meint die Wirtin.

Die Konzentration auf wenige Produkte ermöglicht, sich mit diesen ganz genau auseinanderzusetzen – und auch Vorurteile abzubauen: «St. Galler Wein? Das kann man doch nicht trinken!», dachte Germaine zu Beginn. Mittlerweile habe sie aber sehr gute Tropfen im Kanton entdeckt. Rund 400 Flaschen Rotwein und 250 Flaschen Weisswein schenkte sie an den 66 Veranstaltungen in diesem Jahr aus.

Den Staatskeller als Repräsentationsraum der Regierung gibt es seit 1953. Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des Kantons stiftete das st.gallische Gewerbe einen Grossteil der Kosten für den Umbau des Kellers. Was die offerierten Speisen und Getränke anbelangt, gelten bis heute strikte Einschränkungen, damit der Staatskeller die Gastrobetriebe in der Stadt nicht konkurrenziert.

Gute Stube oder Partykeller?
Zusätzlich zum Staatskeller betreut Germaine auch die Regierungssitzung oder organisiert das Catering während der Kantonsratssession. Wer mit ihr spricht, spürt schnell: Sie ist die geborene Gastgeberin.

Schnäpse bringen manchmal auch noch etwas Schwung rein.

In ihrer Begrüssungsrede bezeichnen die Einladenden den Staatskeller oft als «Wohnzimmer der Regierung». So fühle sich das auch an, sagt Germaine, oft sei die Stimmung locker und ausgelassen. Auch wenn es Anlässe gibt, die aufgrund der Gästekonstellation etwas steif bleiben. Dann versucht die Wirtin, beim Servieren das Gespräch in Gang zu bringen. «Schnäpse bringen manchmal auch noch etwas Schwung rein», erzählt Germaine und schmunzelt.