Beim Bau von Eisenfachwerkbrücken spielte der Kanton St.Gallen eine Pionierrolle. 150 Jahre später erfüllen viele dieser Brücken noch immer ihren Dienst. Gleichzeitig sind sie wertvolle Denkmäler der Ingenieurskunst.
Einen Fluss überqueren – das konnte in früheren Jahrhunderten ein Abenteuer sein. Eine unsichere Furt oder eine schwankende Fähre, den unregulierten Wassern ausgesetzt. Steinbogenbrücken oder Holzbrücken gab es erst wenige und auch sie boten Risiken – vom Wegelagerer bis zum Brückenzoll. Zudem bedeutete die Überquerung eines Flusses oft auch die Überquerung einer Grenze – eine andere Landesherrschaft bedeutete andere Währung, andere Gesetze, andere Rechte, viel Unsicherheit. Erst ab 1848 wurde das Reisen einfacher und

mit dem Bundesstaat verschwanden die letzten Zölle innerhalb der Schweiz. Und wenig später schuf ein neuartiges Material gänzlich neue Möglichkeiten eines standardisierten und raschen Brückenbaus.
Parallel zum Bau des Eisenbahnnetzes ab 1850 setzte ein Boom von den neuartigen Eisenfachwerkbrücken ein – und St.Gallen nahm eine Pionierrolle ein: Zwischen 1853 und 1856 entstand mit der Eisenbahnbrücke über die Sitter (am Ort der heutigen SBB-Brücke) der erste grosse horizontale Gitterträger der Schweiz. Mit ihren Stützen aus Gusseisen war es sogar die erste derartige Eisenbahnbrücke auf dem europäischen Kontinent. Beim Ausbau der Doppelspur 1925 wurde die Eisenbrücke durch die heutige Stampfbeton-
brücke ersetzt.
Der Bau der Bahnstrecke im Toggenburg führte zu einer Vielzahl von Eisenfachwerkbrücken. Die Gemeinden hatten daran Geschmack gefunden.
Die ältesten erhaltenen Eisenfachwerkbrücken im Kanton stammen aus den 1870er-Jahren – und fast alle aus dem Toggenburg. Dass gerade in dem abgelegenen Tal diese moderne Technik Einzug hielt, mag überraschen, erklärt sich aber aus dem Bahnbau. Die Berner Firma Wieland + Gubser, die für die Bahnstrecke Wil–Ebnat-Kappel Eisenbrücken lieferte, überzeugte die Anreinergemeinden von ihrem Können. In Ebnat-Kappel entstanden 1872 bis 1875 gleich drei Eisenfachwerkbrücken. Nachdem die Gemeinde die beiden Strassenbrücken in den letzten Jahren bereits renoviert hatte, kam diesen Sommer mit Unterstützung der Denkmalpflege noch der Schwarze Steg an die Reihe, aufgrund seiner Länge von 45 Metern und der schmalen, nur 1,5 Meter breiten Fahrbahn eine besonders elegante Konstruktion.
Der Tod einer Brücke
Dass die bereits 150-jährigen genieteten Konstruktionen immer noch ihren Dienst tun, ist nicht selbstverständlich. Aber bei guter Pflege – das bedeutet vor allem Rostschutz – stehen diesen Zeugen der Industrialisierung noch viele weitere Jahrzehnte bevor. Dass allerdings die Belastung Grenzen hat, musste die Eisenfachwerkbrücke über den Werdenberger Binnenkanal bei Sevelen erfahren. Ungeachtet der signalisierten Gewichtsbeschränkung befuhr im März 2021 ein Lastwagen die Brücke zum letzten Mal … Die Denkmalpflege konnte nur noch den «Tod» feststellen. Allerdings lenkte der Unfall den Blick auf die verbliebenen Eisenfachwerkbrücken im
Rheintal.

Es sind etwa ein Dutzend Brücken, die zusammen mit dem Rheintaler und Werdenberger Binnenkanal
um 1900 entstanden sind. Da der Kanal selbst nur an wenigen Stellen Kunstbauten aufweist, sind diese Brücken ein wesentlicher Faktor für das Verständnis und die zeitliche Einordnung dieses sozialgeschichtlich und landschaftlich so prägenden Kanals.
«Die Brücken in Bad Ragaz sind Zeugen des damals aufblühenden Kurbetriebs»
Landschaft und Ortsbild aufgewertet
In Bad Ragaz schliesslich steht gleich bei zwei Eisenfachwerkbrücken eine Renovation an. Die Löwenbrücke und die Badtobelbrücke entstanden um 1880 und sind damit Zeugen des damals aufblühenden Kurbetriebs. Die eine führt vom Dorfzentrum zum Bäderbezirk, die andere von diesem in die Taminaschlucht hinein und somit zu den heissen Quellen des Thermalwassers. Diese dem Vergnügen gewidmeten Brücken werden hoffentlich noch viele Generationen von Kurgästen erleben, die sich an der Aufwertung von Ortsbild und Landschaft durch die eleganten Eisenkonstruktionen erfreuen.

Stadt St.Gallen. Der erste Sitterviadukt der Eisenbahn war von 1856 bis 1925 in Betrieb. Auch die Pfeiler waren damals noch aus Stahl.