Wasser. Dieses Element zieht sich wie ein roter Faden – oder vielmehr: ein blaues Band – durch die berufliche Laufbahn von Dominique Graff. Wie passend, dass es am Morgen des Interviews regnet! Dominique arbeitet im Amt für Militär und Zivilschutz, das sich im ehemaligen Zeughaus bei der St. Galler Kreuzbleiche befindet. An den Wänden hängen grosse Landkarten; in einem der Sitzungszimmer schaut General Guisan ernst auf die Gäste.
Auf den ersten Blick scheint Dominique so gar nicht in dieses Umfeld zu passen: geschmackvoll gekleidet, moderne Brille, gepflegte Kurzhaarfrisur. Überraschend ist auch ihr Dialekt: Sie ist in Basel aufgewachsen. «Wenn ich hier neue Menschen treffe, ist das fast immer das erste Thema», lacht sie.
Gut vorbereitet für den Ernstfall
Menschen trifft sie viele in ihrem Job, denn sie leitet das Projekt «Trinkwasserversorgung in schweren Mangellagen », das die Regierung kürzlich in Auftrag gegeben hat. Dafür vernetzt sie sich mit den regionalen Führungsstäben, den örtlichen Trinkwasserversorgern, den Gemeinden und den Verbrauchern, um in einem ersten Schritt im ganzen Kanton sogenannte unverzichtbare Anlagen zu identifizieren. Kürzlich war Dominique darum im Toggenburg unterwegs für die Bewertung von Wasserfassungen anhand verschiedener Kriterien wie Wassermenge oder Notstromversorgung.
Für eine sichere Trinkwasserversorgung zu sorgen ist nicht nur spannend, sondern vor allem sinnstiftend.»
Im Rahmen des Projekts erarbeitet sie Massnahmen für den Fall eines regionalen Totalausfalls. Dann würde Trinkwasser netzunabhängig verteilt werden. «Ziel ist ein einheitliches, schlankes System für alle Regionen», sagt Dominique. Später führt sie auch Gespräche mit Produzenten von Mineralwasser und Softgetränken, die im Ernstfall eine wichtige Rolle spielen.
Aber: Wie wahrscheinlich ist eine schwere Mangellage? «Bei einem Blackout stehen Pumpen still, ein Erdbeben könnte die Infrastruktur zerstören, eine Havarie das Wasser kontaminieren», sagt Dominique. Oder anders formuliert: Es ist möglich – das zeigt auch die kantonale Gefährdungs- und Risikoanalyse.
Zu einem Netzausfall soll es aber gar nicht kommen. «Es braucht widerstandsfähige Anlagen, damit die Bevölkerung und die kritischen Infrastrukturen auch bei einem Ereignis möglichst lange auf dem normalen Weg versorgt werden können», erklärt sie. Dominique ist im Kanton auch für den Schutz dieser Infrastrukturen zuständig ist.
Die Trinkwasserversorgung gehört zur kritischen Infrastruktur. Darunter versteht man Systeme und Einrichtungen, die zentral für das Funktionieren der Wirtschaft und das Wohlergehen der Bevölkerung sind. Zur kritischen Infrastruktur zählen auch die Gesundheits- und Energieversorgung, der Verkehr, die Blaulichtorganisationen, Kommunikationskanäle oder die Entsorgung.
Von London nach St.Gallen
Als studierte Umweltwissenschafterin ist sie es gewohnt, komplexe Systeme zu analysieren. 23 Jahre arbeitete sie in England, wo sie sich unter anderem mit der Nutzung von Wasser- und Grünflächen sowie Flussrenaturierungen beschäftigte. Schon damals ging es also um Wasser. Zurück in der Schweiz absolvierte sie an der Universität St.Gallen das Programm «women back to business», entschied sich für ein Praktikum beim Amt für Militär und Zivilschutz und lernte so das Amt und seine Aufgaben kennen. Seit 2019 ist sie fest angestellt und sagt beim Abschied: «Für eine sichere Trinkwasserversorgung zu sorgen ist nicht nur spannend, sondern vor allem sinnstiftend.»