Beat, denkt man an einen Raumbeobachter, sieht man jemanden mit einem Feldstecher, der in die Landschaft schaut…
Ja, solche Dinge höre ich oft. Auch dass ich innerhalb von Gebäuden Räume und Zimmer anschaue. Eigentlich hat das Bild mit dem Feldstecher aber etwas. Ich schaue mir den Kanton einfach mittels Daten an, nicht mit einem Fernglas.
Du analysierst bei deiner Arbeit als Raumbeobachter im Wesentlichen Daten?
Ja, ich greife dafür auf Geodaten zurück, auf statistische Daten des Bundes oder auf Daten, die ich selber erhoben habe. Ich mache mir so ein Bild des Kantons und seiner unterschiedlichen Räume. Das passiert am PC, ich bin nicht draussen.
Gibt es einen typischen St. Galler Raum?
Nein, den gibt es nicht. Vielleicht ist typisch für St. Gallen, dass wir völlig verschiedene Regionen haben mit alpinen Räumen, mit klassischem Mittelland bis hin zu fast südlichen Raumtypen. Diese unterschiedlichen Räume drücken sich auch in den Daten aus.
Wenn man auf die anderen Kantone schaut: Wer ist unser nächster Verwandter?
Das ist vielleicht Luzern. Luzern hat ähnlich viele unterschiedliche Raumtypen wie St. Gallen.
Du beobachtest mittels Daten. In welchen Bereichen ziehst du sie heraus?
Im Zentrum stehen Siedlungen, Flächen, Bauzonen. Ich greife dazu auf Grössen wie beispielsweise Einwohnerdichte, Verkehrszahlen, Grünflächen oder Raumnutzung zurück. Das Zusammenspiel dieser Grössen macht den Raum zu dem, was er ist. Besonders wichtig ist die Raumnutzung, also ob die Menschen an einem Ort einfach wohnen oder ob sie hier auch arbeiten, einkaufen, ihre Freizeit verbringen.
Es geht darum, wie und wo der Kanton wachsen soll.
Ja, es geht um Raumplanung. Ihr Ziel ist es, das Wachstum von Siedlungen und den Schutz von Kultur- und Naturlandschaften optimal aufeinander abzustimmen. Meine Daten fliessen in diese Planung ein. Sie dienen aber auch dem Controlling. Raumbeobachtung ist ein Auftrag des Bundesgesetzes. Die Kantone sollen wissen, wo was bei ihnen abgeht, um so der Zersiedlung der Landschaft entgegenwirken zu können. In den meisten Kantonen ist dies Aufgabe der Raumplanung. Nur die grösseren wie St. Gallen haben eigentliche Raumbeobachter.
Entwickeln sich die Räume immer wie geplant?
Es gibt Faktoren, die definitiv steuerbar sind. Zum Beispiel wo und wie gross Bauzonen sind, wie die Verkehrsführung mit welchen Verkehrsträgern läuft oder wo Naturlandschaften geschützt sind. Es gibt aber auch Faktoren, die nicht oder nur bedingt steuerbar sind. Etwa die wirtschaftliche Grosswetterlage, das Wachstum der Bevölkerung, die Zuwanderung, fehlende Investoren oder veränderte Ansprüche ans Wohnen und Wohnflächen. Solche Faktoren spielen eine Rolle, wie ein Raum sich tatsächlich entwickelt.
Gibt es etwas, dass dich bei der Raumbeobachtung St. Gallens überrascht?
Über einen Punkt staune ich immer wieder. Bei vielen Auswertungen taucht St. Gallen im Vergleich mit den anderen Kantonen immer in der Mitte auf. Sei dies beim Zuwachs der Bevölkerung, sei es beim Anteil der Siedlungsfläche an der Gesamtfläche oder beim Wohnungsbau. Wir sind oft im Mittelfeld, also gesamtschweizerisch gesehen durchschnittlich.
Nach vorne gedacht: Worauf liegt in zehn oder zwanzig Jahren der Fokus?
Beim Thema Klimawandel und Siedlungsentwicklung. Wir untersuchen, wo in den Siedlungsräumen die Temperaturen besonders hoch sind, und, falls dort zum Beispiel vermehrt ältere Menschen leben, welche Massnahmen wie Begrünung und Baumpflanzungen ergriffen werden müssen, die zur Kühlung beitragen. Dieses Thema wird uns in Zukunft beschäftigen. Und auch die Energieversorgungssicherheit hat Auswirkungen auf den Raum und wird Thema bleiben.
Zur Person
Beat Louis ist seit 2008 Raumbeobachter des Kantons St.Gallen. Er hat Geologie an der ETH Zürich studiert.